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Punkte Penunsen Unsinn

punkte unsinnDie Großen Gewächse wurden auf der GutsWein in Berlin und einer Vorverkostung in Wiesbaden mit vielen Punkten bedacht. Punkttabellen einiger Verkoster sind seitdem im Umlauf und werden reichlich gelesen. Doch was sagen sie aus? Welche Schlüsse kann man aus ihnen ziehen? Wir haben uns die Punktlisten von drei Verkostern vorgenommen und etwas darin herumgerechnet.

Die Ergebnisse sind vielfältig und ernüchternd. Kaufentscheidungen auf der Grundlage nur einer Punktbewertung scheinen keinen Sinn zu ergeben. Zu uneindeutig sind die Urteile. Auffällig ist, dass die Bewertungen durchschnittlich in den Anbaugebieten häufig um die 90 Punkte kreisen. Eine Verkoster hat einen Schnitt (der über fast alle Anbaugebiete ähnlich bleibt) von 90,5 Punkten. Ein anderer Verkoster hat einen Schnitt bei jeweils ca. 89,5 Punkten.

Das Wunder von der Nahe
Die Großen Gewächse von der Nahe schnitten in den Punktbewertungen besonders gut ab. Der Punktdurchschnitt über alle Großen Gewächse von der Nahe ist um einen Punkt höher, als bei den anderen Anbaugebieten. Dies ist jedoch nicht auf die Qualität an der Nahe allein zurückzuführen. Vielmehr sind zwei Weingüter mit einem Punktesegen beschenkt worden. Alle 7 vorgestellten Großen Gewächse von den Weingütern Dönnhoff und Schäfer-Fröhlich erhielten 91 Punkte und mehr. Ein anderes Weingut erhielt von allen drei Verkostern einzeln maximal 90 Punkte.

nahe punkte wunderDiese Polarisierung bei den Bewertungen der Großen Gewächse von der Nahe scheint mir aber keine Folge einer objektiven Qualitätsbewertung zu sein. Drei Gründe sprechen dafür. Zum einen war zumindest ein Großes Gewächs des Weinguts, dass bei den Punktbewertungen der hier ausgewerteten Verkoster sehr schlecht abschnitt, nach meiner Verkostung zu Unrecht schlecht bewertet worden. Zweitens war im Vorfeld schon massiv und zumeist positiv von den Weingütern Dönnhoff und Schäfer-Fröhlich berichtet worden, so dass sich offensichtlich schon Vorurteile gebildet hatten.

Die dritte und gewichtigere Erklärung, dass diese unzureichenden Polarisierungen bei Blindverkostungen (also ohne Ansehen des Weinguts) nicht stand halten würden, ist ganz schlicht mathematisch begründet. So erhielten alle 7 Großen Gewächse dieser zwei Erzeuger von der Nahe einen jeweiligen Punktdurchschnitt von 93 (bei einer maximalen Abweichung von einem halben Punkt). Dies bedeutet, dass alle sieben Großen Gewächse nach Urteil der drei Verkoster gleich- und besonders hochwertig sind, jedoch kein anderes Großes Gewächs von der Nahe diese Klasse hat. (Dabei ist jedoch eine kleine Einschränkung notwendig. Ein Verkoster hat auch für andere Weine von der Nahe ähnlich hohe Punkte vergeben. Diese erreichen sie jedoch bei weitem nicht im Durchschnitt der drei Verkoster.)

Alles Unsinn?
Die Liste der Eigenheiten lässt sich hier noch beliebig fortsetzen. Der Eindruck entsteht, dass die Punktvergabe häufig Lotterie ist und wenig mit einer vertrauenswürdigen Qualitätsbewertung zu tun hat. Zumindest ist die Aussagekraft dieser Punkte für Einkäufe vollkommen überbewertet. Bei den Großen Gewächsen der Mosel zeigt sich, was ganz symphtomatisch zu sein scheint. Einhellige Urteile existieren nicht. Und wenn ein Wein von einem der drei Verkoster tatsächlich mal unglaublich niedrige 82 oder 83 Punkte bekommt, so gibt es immer mindestens einen anderen Verkoster, der für den selben Wein 90 Punkte oder auch mehr vergibt. Besser ist es doch, man vertraut seinem eigenen Urteil. Alles andere ist offensichtlich Unsinn.

12 Gedanken zu „Punkte Penunsen Unsinn“

  1. Vielleicht liegt es auch ganz einfach an der Qualität der Verkoster. Ein derart anonymer Vergleich macht wenig Sinn.

  2. @ Mario Scheuerman:
    Der Verdacht liegt nahe. Nun will ich da niemanden direkt angreifen. Es handelt sich jedoch um namenhafte Verkoster, deren Punktelisten veröffentlicht, viel gelesen und vom VDP verlinkt sind.
    http://www.vdp.de/nc/presse/presse-detailseite/article/grosse-gewaechse-stimmen-aus-den-reihen-der-verkoster/

    Ich wäre natürlich nicht auf die Idee gekommen, Punktelisten von vollkommen unbekannten Menschen zu nehmen. Es handelt sich um Jens Priewe, Sascha Speicher (zusammen mit M. Hornickel/Meininger-Verlag) und Niko Rechenberg. Wenn man jedoch die Fragestellung der Qualität der Verkoster auf meine Rechnungen bezieht (die noch etwas umfangreicher sind, als ich sie hier darstellen kann), so muss das kritische Urteil nicht automatisch alle drei Verkoster betreffen.

  3. Die Nahe hat definitiv hervorragende Rieslinge in 2007 produziert! Ich habe bereits im Juni bei meinem Weingutsbesuch über die herausragende Qualität der Emrich-Schönleber Weine berichtet. Am Dienstag war Tim Fröhlich in Berlin und ich konnte ein Teil der Kollektion verkosten, einfach Weltklasse. Übrigens, auch befreundete Winzer schwärmen von den 07 Rieslingen von Dönnhoff, Emrich-Schönleber und Schäfer-Fröhlich.

    Grüße,
    Martin

  4. Hi Martin,
    das ist ja gar nicht gegen die Rieslinge von der Nahe gerichtet. Ich möchte da gar nicht die Qualität bezweifeln. Vielmehr jedoch die Aussagekraft der Punktelisten. Und man kann da so schön mit rechnen.

    Du bringst Emrich-Schönleber mit ein. Die Punktvergabe für dieses Weingut stützt meine These einer Bewertung nach Weingut. Oben sind die anderen beiden Weingüter mit 93 Punkten im Durchschnitt jeweils für jedes GG dargestellt. Emrich-Schönleber präsentierte zwei GG. Eins mit durchschnittlich 92,3 und das andere mit 92 Punkten. Dieses Weingut steht also an Platz drei der Wertschätzung der Verkoster. Und dies ist eindeutig abgegrenzt von oben und unten.

    Dann ist da noch das nicht ganz so unbekannte Schlossgut Diel. Drei GG’s wurden präsentiert. Zwei davon wurden mit durchschnittlich 91,8 und das Dritte wurde mit 91 Punkten bewertet. Das ist Platz 4 für das Weingut Diel in der Wertschätzung der Verkoster.

    Daraus folgt eine einhellige Hierarchie der Winzer von der Nahe. Ich denke jedoch, dass es ziemlich unwahrscheinlich ist, dass die Weine jeweils in der Sortierung nach Weingut eine Berechtigung hat. Eine Blindverkostung wäre da doch eher angebracht gewesen. Evtl. ist das ja eine Anregung an den VDP die Weine zu verschlüsseln und erst nach der Verkostung den Weingütern zuzuordnen. Die Urteile wären bestimmt aussagekräftiger bezüglich der Qualität der einzelnen Weine. Es würde nicht nur ausdrücken, welcher Winzer gerade angesagt ist.

  5. Die überbordende Euphorie vieler Erzeuger, Funktionäre und Kritiker kann ich nicht teilen: 2007 ist kein Jahrhundertjahrgang! Sicher ist es in vielen Regionen ein sehr guter Jahrgang, speziell für Riesling, und das ist doch auch schon eine ganze Menge. Allzuviel Weltklasse konnte ich bis jetzt auch noch nicht entdecken; denn die beginnt für mich erst jenseits von 94 Punkten. Allerdings stehe ich auch erst am Anfang meiner Verkostungen und so mancher Top-Produzent hat seine besten Weine noch garnicht gezeigt.

    Im übrigen glaube ich nicht, dass Blindverkostungen da wesentliches ändern würden.

  6. Ich habe in diesem Jahr auf meinem blog bezüglich der Gutswein keine Punkte vergeben, ABER der “Halenberg” von Emrich-Schönleber war meine Nr. 1 der Gutswein in Berlin mit 95 Punkte. Man sollte allerdings erwähnen, daß Dönnhoff, Schäfer-Fröhlich, Keller etc. nicht in Berlin vertreten waren.
    Es gab übrigens in Kopenhagen kurz vor der Gutswein ebenfalls eine große Riesling-Verkostung und da haben sehr erfahrene Riesling-Verkoster dem Halenberg GG als besten Riesling mit 96+ Punkte bewertet.

    Grüße,
    Martin

  7. @ Mario Scheuermann:
    Wenn man die Pfalz betrachtet, ist 2007 um weite Längen besser als 2006. Bei den GGs hätte ich 2007 mehr erwartet. In den unteren Preisregionen habe ich jedoch schon sehr schöne Weine verkosten können.

    Meine Idee mit den Blindverkostungen war jedoch nicht auf den Jahrgang bezogen, sondern auf von mir angenommene Voreingenommenheit einiger Verkoster bestimmten Weingütern gegenüber.

    @Martin:
    Klar findet man immer Leute, die einem Wein viele Punkte geben. Ich könnte auch aus den drei mir vorliegenden Listen eine machen und dann sagen, das jener oder ein anderer Wein in Berlin 94 Punkte bekommen hat. Die Aussagekraft tendiert dann nur gegen Null. Das hatte ich versucht oben darzulegen. Zudem halte ich es für unseriös Weine so zu verkaufen (es gibt tatsächlich Leute, die so was machen).

    Ich fand es auch sehr schade, dass es viele Weine von der Nahe und auch vom Mittelrhein nicht in Berlin zu verkosten gab.

  8. Hallo zusammen,
    eine Verkostung findet im Optimalfall unter Laborbedingungen statt, keine äusseren Einflüsse, Lärm, Stress, usw.
    Wenn man auf solchen Messen Notizen macht und Punkte vergibt, bzw. diese Punkte betrachtet, muss man immer auch bedenken dass auf solchen Messen sehr viele Faktoren die Verkostung und Beurteilung der Weine beeinflussen können. Dass verschiedene Verkoster, auch Erfahrene, einen Wein unterschiedlich beurteilen kommt immer wieder vor. Aus diesem Grund sollte eine Aussagekräftige Verkostung und Beurteilung immer in Gruppen durchgeführt werden. Dann ergibt sich eine vernünftige Tendenz aus dem Schnitt und einzelne persönliche Vorlieben oder Abneigungen fallen weniger ins Gewicht.
    Viele Grüße,
    Alex

  9. Was mir noch aufgefallen ist bei den Bewertungen, wie homogen die Bewertungen sind. V2 hat allen Weinen und nicht nur denen von der Nahe immer 91 bzw. 92 Punkte gegeben. Und V1 allen Weinen 93 bzw. 94 Punkte,zumindestens die von der Nahe. Ich vermisse da die Ausreißer nach oben bzw. unten.

    Trust your own palate……..

  10. @BerlinKitchen
    Es ist sehr wichtig wenn man verkostet auch auszupunkten, das heißt nach oben und unten zu bewerten. Man muss Qualitätsunterschiede positiv wie negativ deutlich bewerten.

  11. Ach jeh, so lange man Punkte nicht trinken kann ist dass doch alles Kokolores. Ich gebe gerne zu, dass ich eine Zeit lang auch sehr interessiert an den Punktbewerbungen war. Mitlerweile ist mir das eher egal.

  12. Hallo,
    egal sind mir die Punkte nur in Bezug auf mein eigenes Urteil. Es gibt leider allzu viele Menschen die blind auf Punkte vertrauen. Was die allerdings nicht bedenken ist die Frage ob eine Beurteilung nach Punkten hedonistisch oder analytisch erfolgt.
    Was letztendlich zählt ist aber vor Allem das einem selbst der Wein schmeckt! Sonst nützen auch 100 Punkte nichts…

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