Auf der Weinfachmesse Vinexpo in Bordeaux habe ich reichlich Champagne verkostet. Das ist auch eine sehr gute Gelegenheit dafür. Anlass hierfür ist nicht nur, dass die Vinexpo-Studie im Vorfeld Schaumwein als ein besonderes Trendthema mit Wachstum auch besonders auf dem deutschen Markt hervorgehoben hat. Grund ist vielmehr, dass auf der Messe in Bordeaux viele Champagne-Erzeuger mit großen Messeständen vertreten sind. Zudem sind häufig auch die Inhaber vor Ort und können etwas über das jeweilige Haus erzählen.
Chronologisch rückwärts habe ich am fünften und letzten Tag der Vinexpo bei Gosset verkostet. Der Stand war mir zuvor einfach viel zu gut besucht und alle Mitarbeiter belegt. Gosset gilt mit seiner Gründung 1584 als das älteste Weinhaus in der der Champagne und wird heute in der 17. Generation betrieben. Mit mehr als einer Millionen Flaschen im Jahr ist Gosset einer der größeren Erzeuger in der Champagne, aber mit weitem Abstand zu den riesigen Häusern. Hier probierte ich zuerst das Flaggschiff, das ist der weiße Brut Reserve. Dieser besteht aus allen drei Rebsorten der Champagne mit einem Schwerpunkt auf Pinot Noir aus dem Bereich Ay. Er präsentiert sich frisch und zugleich voll. Man könnte fast an einen Holzeinsatz denken. Dies wird hier jedoch nicht verwendet. Vielmehr kommt ein hoher Anteil an Reserve-Weinen zum Einsatz, die diesem Champagner sehr ausgewogen gelingen lassen.
Neben einem recht frühen Engagement für trockenen Champagner hat Gosset mit 11% einen hohen Anteil im Bereich Rose. Ich probierte noch den Petite Douceur Rose. Dieser als Extra-Dry klassifizierte Champagner ist ein neues Produkt bei Gosset. Nachdem die Champagne in der vergangen Zeit bei ihren Erzeugnissen immer trockener wurde, präsentiert sich dieser Rose nun mit 17g Restzucker. Das ist durchaus derzeitiger Zeitgeist, den man in seinem Frühstadium auch in Deutschland spürt. Sicherlich werden die Fans von Brut und Extra-Brut davon weitgehend unberührt bleiben. Der Petite Douceur Rose schmeckt aufgrund der Säure sehr schön erfrischend und überzeugt in einer fruchtigen Länge.
Champagner-Verkostungen: Eine Symphonie bei Bruno Paillard
Geht es nun vom ältesten Weinhaus der Champagne zum jüngsten Haus und einem zugleich recht bedeutenden Erzeuger. Bruno Paillard wurde erst 1981 gegründet. Das ist in der Champagne eher ungewöhnlich. Vor einigen Jahren erzählte mir der Inhaber einmal, dass er zu Beginn für seine Investitionen sein Auto verkaufte. Inzwischen ist der Erzeuger deutlich gewachsen. Bruno Paillard hat inzwischen 32 Hektar in allen Bereichen der Champagne im Eigenbesitz. 14 Hektar davon befinden sich in Grand Cru Lagen. Mit dem eigenen Besitz bestreitet man 60% der Produktion, was deutlich überdurchschnittlich ist. Ziel von Bruno Paillard war es immer nie mehr als 450.000 Flaschen jährlich zu produzieren. Sonst würde man die Übersicht verlieren. Bei dieser Marke ist man inzwischen angelangt.
Bruno Paillard ist auf der Vinexpo dreifach groß. Einmal merkt man es, wenn man ihm persönlich begegnet, ein zweites Mal, wenn man die Champagner (wie auf der Messe in Bordeaux) aus Magnumflaschen verkostet. Und groß ist auch was man im Glas hat. Ok, dass kann man dann nicht mehr in Metern ablesen. Beim „Basissegment“ – auch Premiere Cuvees genannt – hat mir ganz besonders positiv der Blanc de Blanc gefallen. Dieser besteht aus Grundweinen aus Grand Cru Lagen. Hier wird auch ein hoher Reserveanteil verwendet. Dazu stehen 25 Jahrgänge bis zurück ins Jahr 1985 zur Verfügung.
Magnum bei Bruno Paillard
Ohne den Markttrends hinterherzurennen ist Bruno Paillard mit seinen Ideen der Zeit immer etwas voraus. Mit ca. 25% hat man einen besonders hohen Anteil beim beliebter gewordenen Rose (Durchschnitt der Champagne ca. 8%). Und Paillard war auch immer schon trockener als viele andere Schaumweine der Champagne. Der 48 Monate auf der Hefe liegende hervorragende Blanc den Blanc Grand Cru hat 5 Gramm Restzucker pro Liter. Aber was sind schon Analysewerte? Aus der Magnum ausgeschenkt zeigt sich dieser sehr feinperlig im Glas. In der Nase sind Zitrusnoten die von hellem floralen Geruch ergänzt wird. Der Gaumen ist fein von durch Kreide geprägter Mineralität geprägt. Der Blanc de Blanc Grand Cru von Bruno Paillard ist in seiner Länge frisch und belebend.
Ein zweiter Champagner hat mir hier zudem exzellent gefallen. Bei den Jahrgängen gibt es auch einen Blanc de Blanc (aktuell 2004). In dieser Kategorie hat es mir aber die Assemblage angetan. Ebenfalls aus 2004 besteht diese aus 58% Pinot Noir und 42% Chardonnay. Die Etiketten werden jedes erscheinende Jahr von Künstlern gestaltet. 2004 ist das Thema „Symphonie“. Diese zeigt sich mit verspielter Grapefruit hell floral. Am Gaumen ist er trocken und zugleich auch saftig. Das Finale (Nachhall) dieser Symphonie ist vielschichtig und verspielt. Dieser Champagner von Bruno Paillard gehört aus meiner Sicht zur Spitzenklasse und in sich sehr stimmig.
Champagne Boizel: Mit Joyau de France zurück ins Jahr 1982
Doch weiter geht es zum nächsten Champagne-Höhepunkt auf der Vinexpo. Bei Traditionshaus Boizel (Seit 1854) hatte man sich etwas Besonderes überlegt. Hier empfing mich freundlicher Weise Evelyne Roques-Boizel. Zu verkosten gab es eine kleine Vertikale des Spitzencuvee Joyau de France. An den Analysedaten kann man nachlesen, dass auch dieser über die Jahre etwas trockener wurde. Hatte man 1982 noch 9 Gramm Dosage, ist man 2000 bei 7 Gramm angekommen. Den Joyau de France gibt es nur in den Jahren wo er in hervorragender Qualität erzeugt werden kann erklärt Madame Roques-Boizel.
Traditionell besteht dieses Cuvee aus etwas mehr Pinot Noir und weniger als der Hälfte Chardonnay. Das ändert sich jedes Jahr graduell, da man versucht die Jahrgangsschwankungen hierdurch etwas auszugleichen. Das Hefelager ist sehr lange. So wurde der aktuelle Jahrgang des Joyau de France 2000 im Mai 2014 degorgiert. Manchmal lässt man dieses Cuvee aber durchaus 16 oder 18 Jahre auf der Hefe liegen. Ein kleiner Anteil von ca. 10% (bei jedem Jahr etwas anders) wurde in Holzfässern vinifiziert.
Ein Magnet am Stand von Champagne Boizel ist der Joyau de France aus dem Jahr 1982. Es ist selten, dass man so gut gereifte Champagner probieren kann. Dieser Jahrgang ist bei Boizel auch nur noch in Einzelflaschen vorhanden, die ausschließlich für den privaten Gebrauch eigesetzt werden. Und es ist wirklich erstaunlich wie gut der 1982er Joyau de France noch da steht. Madame Roques-Boizel erklärt dazu, dass man eigentlich nicht abschätzen kann, wie lange ein solcher Champagner noch Spaß macht. Er ist schon etwas dunkler geworden. In der Nase sind bei dem Joyau de France aus 1982 weiche Reifenoten mit Brioche, etwas Vanille und dezenter aber passender Firne. Am Gaumen ist er sehr voll zeigt aber über die Säure eine angenehme Frische. Dieser Champagner ist mit 33 Jahren noch erstaunlich lebendig.
Mein wirklicher Favorit bei Boizel war der 1989er Joyau de France. Madame Roques-Boizel schildert, dass dieser Champagner jung eigentlich deutlich im Schatten von 1988 stand, aber je mehr beide reiften zeigte sich, dass 89 außergewöhnlich und großartig wird. Er hat eine frische und sehr feine verspielte Nase mit vielfältigen Aromen. Am Gaumen ist der Joyau de France extrem harmonisch und zugleich lebendig. Ein Meisterwerk, dem man mit gewöhnlichen Begriffen aus der Welt der Früchte nicht beikommen kann. Von den 1989 gibt es leider keine Mengen mehr.
Aktuell vermarktet Boizel vom Joyau de France den Jahrgang 2000. Dies zeigt, dass man hierbei extrem qualitätsorientiert ist und dem Champagner viel Zeit auf der Hefe gibt. Entsprechend ist dieses Spitzencuvee fein und mineralisch balanciert. Die betonte Frische am Gaumen geht in eine erstaunlich verspielte Länge. Herausragend (ebenfalls auf dem Markt erhältlich) hat mit der 1995er Joyau de France gefallen. In der Nase habe ich Schwarze Johannisbeere, dezente Briochenoten mit feiner Hefearomatik wahrgenommen. Der Gaumen ist frisch aber außergewöhnlich fein. Das Finale bei diesem Spitzenchampagner von Boizel ist unerwartet weich und rund.