Die für Innovationen und neue Ideen bekannte Hochschule Geisenheim hat etwas gewagt: Einen Einheitswein. Genauer sind es sogar zwei Weine mit Beteiligung aller 13 deutschen Weinbaugebiete. Anlass hierfür sind die am 3. Oktober gefeierten 25 Jahre Deutsche Einheit. Von den 3.500 Flaschen, die durch die Studenten der Hochschule Geisenheim abgefüllt wurden, habe ich jeweils eine abbekommen und bin gespannt aus das Cuvee.
Nun klingt ein Einheitswein erstmal etwas negativ. Nicht ganz unbeteiligt an diesem Ruf ist das Plädoyer von Terry Theise gegen einen globalen Einheitswein. Doch eigentlich ist es ja ganz anders. Denn unsere hiesigen Weinbaugebiete sind – unter Beteiligung der besonders noblen Rebsorten Riesling und Spätburgunder – für ihre Vielfalt bekannt. Eine Vielfalt die hierzulande inzwischen auch kulturell gewachsen ist. Diese überlagert eine historische Vielfalt in Deutschland, eben nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch Nord und Süd. Es gab eben nicht nur die trennende Mauer, sondern auch die Benrather Linie und den Weißwurstäquator.
„Denk ich an Deutschland in der Nacht…“
Das Projekt der Deutschen Einheit war nicht einfach. Schon allein der Begriff der Reichsgründungskriege in den 1870er Jahren zeugt davon. Und war es maßgeblich die deutsche Geschichte mit zweiten Weltkriegen die von diesem Lande ausgingen selbst die Ursache für die Teilung eben nach dem zweiten dieser Kriege. Die 2+4 Gespräche zeugen von dieser schwierigen Vereinigung. Sicherlich wurden sie überschattet von der Euphorie der 1989er Bürgerrechtsbewegung in der DDR und der friedlichen Veränderung in den anderen Ostblockstaaten bei denen Unrechtsregime nur mit der Waffe des Wortes beseitigt wurden.
Die Entwicklungen in den vergangenen Wochen zeigen, dass sich Deutschland nicht mehr nur in Europa abschottet, sondern die Menschen hier sich auch selbst humanistisch zeigen. Denn die eigene Menschlichkeit kann man nur dadurch demonstrieren, wie man mit anderen Menschen in Notlagen umgeht. Positive Werte, die optimistisch stimmen können. Fehlt sicherlich noch, dass man das 0,7%-Ziel in der Entwicklungshilfe – zu dem sich Deutschland vor 15 Jahren öffentlich bekannt hat – auch endlich einmal umsetzt. Bei all dem Feiern sollte man aus meiner Sicht auch immer an andere Menschen auf dieser Welt denken.
Man mag sich länger fragen was denn eine positive Zukunft ist. Wie man die Welt vom Bösen befreien kann. Aber ist da nicht auch ein Grundmotiv der Nazis? Einen weiteren Moment Ruhe. In der Propaganda war eben gerade auch solch ein Motiv verankert. Länger nachgedacht führt kein Weg vorbei an menschlichen Grundrechten wie sie auch in allen Religionen verankert sind. Ebenso im deutschen Grundgesetz. Da geht es wenig um Religionszugehörigkeit. Sondern um das Recht eines jeden Menschen zu leben. Ich denke dadurch kommen wir in diesem Land und bei dieser Betrachtung weiter. Egal welchen Geburtsort wir haben oder was uns jeweils als Nationalität anerkannt wird. Ich wünsche mir jedenfalls noch mehr Offenheit in dieser Welt in dem Land in dem ich lebe.
Deutschland als Cuvee?
Um auf die Einheit zurückzukommen. Das war und ist im Osten leider schwierig. Wenn man in Sachen unterwegs ist, fällt einem auf, wie häufig bei zufälligen Straßengesprächen ein vorher und nachher thematisiert wird. 25 Jahre nachher? Man kann sich das nur nach 40 Jahren Stillstand in der DDR vorstellen. Plötzlich ist vieles anders. Eine Anpassung die leider (weil viel zu häufig nur so) und zweitens sehr schnell passierte. Einheitsverlierer in den „blühenden Landschaften“ (hatte Kohl bei der Formulierung eigentlich tatsächlich das Bild nahezu entvölkerter Landstriche im Kopf?); wer denkt dieser Tage an sie. Dass sich diese Restbevölkerung bemerkbar macht – die neben sicherlich sehr guten Entwicklungen besteht – ist verständlich. In der Kanalisierung aber fatal.
Weißer Einheitswein 2014
Beim weißen Einheitswein erkennt man ein helles Strohgelb im Glas. In der Nase duftig mit reifem gelben Pfirsich. Hier merkt man den Einfluss der Bukettrebsorten. Aber auch der Riesling verleugnet sich nicht. Am Gaumen schafft er Frische. In sich ist das Bild stimmig. Als Fan großartiger Lagenrieslinge ist mir die hellfruchtige Länge etwas zu langweilig. Aber alles ist in sich stimmig. Ein moderner Wein mit gutem Trinkspaß. Das ist etwas zum Feiern. Gerade bei der Party würde eine höhere Komplexität eher stören. Zudem ist es ja ein Wein für das ganze Volk und nicht nur für Weinfreaks. Hier hat die Hochschule Geisenheim eine hervorragende Arbeit geleistet. Ich kann mir nur schwer vorstellen wie schwierig es ist Grundweine aus allen 13 deutschen Weinbaugebieten zusammen zu bringen.
Roter Einheitswein 2014
Der rote Einheitswein zeigt ein helles klares Rubinrot im Glas. Die Nase erinnert mit seiner Pfeffernote sofort an einen Spätburgunder aus Deutschland. Baden und die Ahr sind hier für mich die Referenz. Die zweite Nase bringt rote Früchte bis hin zur Pflaume. Das riecht auch etwas wohlig warm nach eingekochtem Kompott. Im Hintergrund ist eine Priese Muskat. Der Gaumen ist harmonisch mit etwas Unterholz. In der Länge fleischig aber schlank.
Irgendwie hat mir der Rotwein zu Deutschen Einheit besser gefallen. Evtl. liegt es daran, dass meine Präferenz eigentlich eher zum Weißwein besteht und ich gerade bei den deutschen Weinen dieser Farbe sehr hohe Erwartungen habe. Zudem scheint es mir so zu sein, das Rotwein generell besser für Cuvees geeignet scheinen. Jedenfalls gibt es wesentlich mehr auf diesem Bereich am Markt im Bereich Stillwein. Aber es sind beides Weine mit denen man gut feiern kann. Nun bin ich nur noch gespannt welche Reaktionen es aus der Politik von der offiziellen Feier zur Deutschen Einheit aus Frankfurt am Main gibt.