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Die große Challenge auf der Vinexpo: Ein Blind-Tasting mit Paolo Basso

Die große Challenge auf der Vinexpo: Ein Blind-Tasting mit Paolo Basso
Die Spannung könnte kaum größer sein. Bei der Blind-Tasting Challenge mit Paolo Basso gibt es bei zwei Teilnehmern schon vor dem Einlass in den Verkostungssaal Unmut. Der verzögert sich, weil noch nicht alle Weine an den Plätzen der Verkoster bereit stehen. Die Teilnehmer warten vor einer Schwingtür, bei der man sogar die Scheiben – nur für diese Veranstaltung – mit Milchglasfolie versehen hat. Die Aufregung ist verständlich: Man musste sich schließlich einige Zeit vorher im Internet für die Teilnahme an dieser Challenge registrieren. Und nicht jeder in der Schlange ist sich sicher, ob sein Name auf der Liste steht. Manche haben die Email-Bestätigung von der Anmeldung ausgedruckt dabei. Und auch ich schaue noch mal sicherheitshalber bei meinem Handy im digitalen Posteingang nach.

Die große Challenge auf der Vinexpo: Ein Blind-Tasting mit Paolo Basso
Der Einlass beginnt. Seinen Platz darf man frei wählen. Kurz vor 11 Uhr geht es dann los. Kein geringerer als Guillaume Deglise (CEO von der Vinexpo) stellt den Wettbewerb und Paolo Basso vor. Jedem ist bewusst, dass es jetzt um die eigenen Fähigkeit als Verkoster von Wein geht. Keine Veranstaltung zum Zuhören, wo man dann über den Referenten lästern kann, weil er irgendetwas falsch gemacht hat. Die eigenen Verkostungsfähigkeiten werden jetzt geprüft. Eine Prüfung. Vor allen Teilnehmern stehen 10 befüllte Weingläser auf dem Tisch. Eine Flasche Wasser, ein Stift und einen Notizblock gibt es auch noch. Den Spucknapf muss man sich mit seinem Nachbarn teilen. Die ersten vier Weine sind weiß, dann folgen 5 Rotweine und schließlich ein süßer reifer Wein. Das riecht man schon. Und man sieht es an der Farbe.

Die große Challenge auf der Vinexpo: Ein Blind-Tasting mit Paolo Basso
Bei den anderen Weinen herrscht eine ziemliche Unsicherheit, was man da denn ins Glas bekommen hat. Ich frage mich: Habe ich irgendwo Heimvorteil? German Riesling etwa? Da würde ich mir durchaus zutrauen mit einer gewissen Treffsicherheit – die deutlich über der Wahrscheinlichkeitsrechnung liegt – zumindest auch noch die Region und die Stilistik zu erkennen. Fragen über Fragen, die man sich selbst stellt. Aus solchen Überlegungen herausgerissen: Mit dem ersten Wein geht’s los.

Die große Challenge auf der Vinexpo: Ein Blind-Tasting mit Paolo Basso
Während man selbst verkostet, beschreibt Paolo Basso die Weine. Dabei gibt es aber nicht wirklich Hinweise. Manches erscheint mir nachvollziehbar. Anderes nicht. Und Paolo Basso hat ganz offensichtlich eine sehr kreative und erfrischende Art Weine zu beschreiben. Das schätze ich an ihm: Er bringt mich auf neue Ideen. Das ist unterhaltsam, aber nicht in dieser im Grunde ziemlich albernen Slapstick-Manie, die in Deutschland leider in den vergangenen Jahren immer mehr grassiert. Ich versuche aus dem von Paolo Basso gesagten irgendetwas abzuleiten. Was soll ich denn nun in die drei Felder pro Wein eintragen? Insgesamt gibt es bei dem Wettbewerb 100 Punkte. 5 Punkte für das richtige Erzeugerland drei Punkte für die Rebsorte und zwei für den Jahrgang. Pro vollkommen richtig erkannten Wein sind es also 10 Punkte, so rechne ich. Und schon gibt es eine Nachfrage von einer anderen Teilnehmerin. Meint die Rebsorte die Hauptrebsorte oder sind die Weine alle jeweils nur aus einer Rebsorte? Das erste trifft zu. Schon wieder versuche ich daraus eine Bedeutung für meine Einträge in die insgesamt 30 Felder herauszuhören.

Die große Challenge auf der Vinexpo: Ein Blind-Tasting mit Paolo Basso
Um sich herum hört man ständiges Schlürfen. Ab und zu klingen Gläser aneinander. Das Spucken der Weine geschieht lautlos. Das Tempo dieser Blindverkostung ist nicht zu schnell. Ich verkoste sehend häufig durchaus zügiger. Guillaume Deglise stellt zwischendurch unterhaltsame Fragen an Paolo Basso. Das wirkt entspannend. Trotz dem Willen zu gewinnen, wird es zu einer freundlichen Veranstaltung – mit Humor bisweilen sogar. Ich vergesse fast schon die Bedeutung hier im Wettbewerb gut abschneiden zu wollen. Gewinnen ist ohnehin gar nicht das Ziel. Dabeisein ist alles.

Blind-Tasting auf der Vinexpo mit Paolo Basso

So geht es von einem Wein zum nächsten. Immerhin glaube ich den Weißwein aus dem Burgund richtig zugeordnet zu haben. Meine Lösung ist also Frankreich und Chardonnay. Der Fasston legt nahe, dass es nicht 2014 ist, aber je nach Dauer des Hefelagers kann man sich beim Jahrgang nur schwer festlegen, außer man kennt die Jahrgangsspezifik bei den Weißweinen im Burgund. Aber auch die Lage und der Winzer haben erhebliche Einflüsse auf die Weine. Und dass es hier um einige wirkliche herausragende Weine geht, hatte ich schon vorher erfahren. Beim Gewürztraminer bin ich mir der Rebsorte fast sicher. Es könnte aber auch eine andere Aromasorte sein. Die Region ist nicht wirklich einfach. Der Wein ist gar nicht so opulent, sondern recht feingliedrig, so scheibe ich Italien wegen Südtirol. Die Rotweine empfinde ich als recht schwierig zuzuordnen. Dann werden die Zettel eingesammelt. Und ich ahne böses.

Gleich bei der ersten Auflösung liege ich daneben, was etwas peinlich ist. Denn es handelt sich um einen Verdejo aus Rueda. Peinlich, weil ich erst im vergangen Jahr dort war und intensiv verkostet habe. Ich habe den locker für einen Sauvignon Blanc gehalten. Sicherlich ist der Rebsorte nicht unähnlich. Aber mir war eigentlich klar, dass dieser Weißwein aus Europa kommt. Das Land wusste ich nicht. Nach dem Gesetz der großen Zahlen habe ich dann trotzdem einfach Neuseeland hingeschrieben. Mist. Aber wenn man den Verdejo nicht erkannt hat, ist auch nicht auf das Erzeugerland Spanien gekommen.

Die große Challenge auf der Vinexpo: Ein Blind-Tasting mit Paolo Basso
Der Gewürztraminer kam nun bei der Auflösung aus dem Elsass. Das war nicht wirklich einfach zu erkennen. So fehlte dem Wein aus meinem Eindruck bei der Blindverkostung der dort übliche kräftige Körper. Bei den Rotweinen hatte ich dann ein paar Rebsorten richtig erkannt. Da waren ein Pinot Noir (aber wer kommt schon auf die richtige Lösung bei der Herkunft: USA) und ein Malbec, den hätte ich eher nach Frankreich verortet und nicht nach Argentinien. Das meinte ich von der Säurestruktur so zu erkennen. Falsch! Bei dem Barolo habe ich nicht mal das Land zuordnen können. Und ich fand den ehrlich gesagt nicht wirklich lecker. Das ist nun mal Blind.

Beim letzten Wein war ich nur knapp daneben. Ich hielt es für einen süßen PX-Sherry, also Spanien. Es war jedoch ein Moscatel aus Portugal mit Anteilen, die ca. 20 Jahre alt waren. Geografisch dicht daneben, aber vorbei. Meinen Punktestand möchte ich im Nachhinein lieber nicht erfahren. Es war aber eine sehr spannende und schöne Gelegenheit wieder einmal aus einer anderen Perspektive etwas über die eigenen Geschmacksnerven zu lernen. Und blind zu verkosten ist eben dann doch gar nicht so einfach. Damit meine ich nicht eine Blindverkostung, bei der man den jeweiligen Wein beschreibt und bewertet. Das ist eigentlich recht einfach. Aber bei großen Weinen von berühmten Erzeugern die eine sehr eigene Handschrift in die Weine bringen und nicht nur in der Mitte des Geschmackskorridors der Region liegen, sieht dies anders aus.

Üben für das Blind-Tasting

Mir war schon lange klar, dass ich nicht weit vorne mit dabei bin. Man merkte, dass einige Teilnehmer wirklich zielgerichtet trainiert hatten. Zielgerichtet heißt, man konzentriert sich auf nichts Besonderes und baut seinen Verkostungsplan über längere Zeiträume so auf, dass alles (und auch sehr abwegiges) einmal mit dabei ist. So etwas mache ich natürlich nicht. Ein strenges Trainingsprogramm würde mir den Spaß am Wein nehmen. Es wird von mir alles irgendwann mal probiert, aber bunt durcheinander. Und Weine, die nicht wirklich auf dem Markt sind, kommen bei mir selten ins Glas. So schön es auch klingt; es ist nicht mein Ziel jeden existierenden Wein blind zuordnen zu können. Wer kennt sich denn schon bei Weißwein aus Griechenland aus? Ja, klar Retsina erkennt man sicherlich auch ohne viel Ahnung vom Wein zu haben. Aber sonst?

Die große Challenge auf der Vinexpo: Ein Blind-Tasting mit Paolo Basso
Glückwunsch an den Gewinner Miguel Chan. Der in Johannisburg lebende Sommelier arbeitet für die Tsogo Sun Hotels. Und auch er schien selbst überrascht zu sein. Der Preis – eine Riesen-Flasche Champagne Bollinger Rose – tritt jetzt nach der Vinexpo die Reise nach Südafrika an, wo sie sicherlich viele Menschen zusammen beglücken wird. Man kann nach dieser Verkostung nur Respekt vor der Leistung mancher Sommeliers haben. Diese Blindverkostung mit Paolo Basso war ein echter Höhepunkt der Vinexpo. Zugleich war es am fünften Tag der Weinfachmesse in Bordeaux ein würdiger Abschluss. Ich habe nach einer kleinen Pause dann noch etwas hervorragende Champagner verkostet. Einen Bericht dazu werde ich in den kommenden Tagen noch nachreichen.