Rueda ist ein kleiner Ort im spanischen Landesinneren mit derzeit 1343 Einwohnern. Wenn man mit dem Auto von Madrid kommt, fällt am rechten Wegesrand ein gigantisch großes Weinfass aus Metall auf. Dann passiert man eine Tankstelle. Folgt man der Ruta del Vino weiter, so kommt man in diesen eigentlich recht typischen spanischen kleinen Ort. Doch dann sieht man auf der linken Straßenseite eine Unzahl von Weinläden, Bars und Restaurants. Wenn man in die Schaufenster blickt, erkennt man: Hier gibt nicht nur die für die Region typischen Weißweine vornehmlich aus Verdejo, sondern auch einige Rotweine aus den benachbarten Weinregionen Ribera del Duero, Rioja usw.
Dies hängt mit der Entstehung der D.O. Rueda zusammen. Zwar wird hier schon recht lange Wein angebaut – man vermutet die Ursprünge im 11. Jahrhundert – seine jetzige Bedeutung geht aber erst auf den Beginn der 1980er Jahre zurück. Alle reden bei dieser Gründerlegende von Marques de Riscal. Die Legende ist inzwischen schon fast sagenumwoben: Riscal suchte damals nach einer Region in Spanien, in der man gut Sauvignon Blanc anbauen konnte. Besonders die frisch-fruchtigen Weine wurden zu dieser Zeit beliebter, die verfügbaren Mengen waren in der Kategorie deutlich ausbaufähig. Die Pointe der Geschichte um Riscal ist, dass in Rueda von der Bedeutung und von der angebauten Menge her gar nicht der Sauvignon Blanc zur stärksten Rebsorte wurde. Am Ende setzte sich die eigentlich autochthone Rebsorte des Gebiets – der Verdejo – durch. Und das hat durchaus Gründe: So schmeckte uns bei den Verkostungen der Weine bei Weingütern die beide Rebsorten anbauen fast immer der Verdejo besser.
Rueda mit Verdejo
Seine Eigenständigkeit ist zudem zu einer Stärke von Rueda geworden. Mit dem Verdejo ist ein international deutliches Profil entstanden, mit dem man nicht mehr nur für den spanischen Markt interessante Weine erzeugen kann, sondern auch in klassischen Weißweinnationen wie Deutschland punkten kann. Nach Riscal folgten einiger weitere spanische Bodegas in die Region. Aus dieser Sortimentserweiterung mit Weißwein in den frühen 1980er Jahren ist inzwischen deutlich mehr geworden. Verdejo aus Rueda steht inzwischen international für den frischen und fruchtigen Weißwein für den jungen Genuss aus Spanien.
Derzeit gibt es etwas mehr als 60 Bodegas in der D.O. Rueda. Die Dynamik in diesem spanischen Weinbaugebiet erkennt man daran, dass immer noch neue Weingüter in den vergangenen Jahren hinzukommen. Dabei handelt es sich meist um keine Neulinge im Bereich Wein. Auch für den großen und sehr bekannten Erzeuger Protos – ein Weingut das als erstes in Ribera del Duero gilt – ist seit einigen Jahren in Rueda aktiv. Bei ca. 1,3 Mio. kg geernteter Trauben in diesem Jahr vermarktet man lediglich zwei Weine. Der Kellermeister erklärt bei einem Rundgang wie hier gearbeitet wird. Man presst die Trauben mit drei ansteigenden Druckstufen. Dabei sind 2 Bar das Maximum. Die bei dem höchsten Druck entstehenden Weine werden allerdings an andere Bodegas abgegeben, die diese dann nicht mehr unter dem Label D.O. Rueda verkaufen.
Die beiden Verdejos von Protos sind immer ein Cuvee den ersten beiden Pressungen. Man baut hier – anders als in der deutschen Tradition – nicht eine Lage jeweils getrennt in einem Edelstahltank aus und vermarktet dies dann als einen Wein. Vielmehr versucht man durch das Cuvee zumindest im Jahrgang ein gleiches Geschmacksmuster zu erzeugen. 2013 gilt als nicht unbedingt einfaches Jahr in Rueda mit viel Regen. Der Qualität hat es am Ende nicht geschadet. Bei der Bodega Protos hat man 30% als Tafelwein abgewertet. Normal sind ca. 10 %. So erreicht man ein gewohntes Qualitätsniveau.
Kommen wir zu den beiden Weinen. Der mengenmäßig Stärkere und recht bekannte Verdejo von Protos zeigt sich mit einer kraftvollen exotischen Nase mit Ananas und anderen Früchten. Am Gaumen wirkt dieser Weißwein schön frisch. Auch fruchtig geht dieser Verdejo in eine gute Länge. Hier wird das Profil das Anbaugebiets Rueda sehr gut präsentiert. Als zweiten Wein erzeugt die Bodega Protos einen „Verdejo en Barrica“. Aktuell ist der aus dem Jahr 2011. Aus unserer Sicht ist hier etwas viel Holz am Werk gewesen. Aber Geschmack ist ja zum Glück etwas Pluralistisches.
Barrique-Ausbau in Rueda
Wie bei der Bodega Protos baut man inzwischen häufiger den Verdejo im Holz aus. Hierrüber kann man sicherlich geteilter Meinung sein. Der deutsche Markt ist von intensivem Fassausbau eher etwas weg gegangen. Man kann sicherlich auch fragen, ob das zu dem frischen Stil des Verdejo passt. Bei Protos erklärt man uns, dass dies eigentlich nur ein Randprodukt ist, welches man aber schnell verkaufen kann. Und man kann sicherlich nachvollziehen, dass ab einer umfangreicheren Betriebsgröße ein zweiter Wein sinnvoll sein kann.
Und es gibt auch einige wirklich interessante Weißweine aus Rueda mit Barriqueausbau. Da kann man den von Palacio de Bornos durchaus hinzuzählen. Dieser Erzeuger ist seit 1978 in Rueda aktiv und kann als einer der Pioniere des modernen Weinbaus in der Region angesehen werden. Wir verkosten hier unter anderem den „Verdejo fermentado en Barrica“ aus dem Jahr 2013. Dabei ist gebrauchtes Holz für vier Monate zum Einsatz gekommen. Besonders der gut durchdachte und nicht den Wein überdeterminierende Holzeinsatz ist hier schätzenswert. Vielmehr unterstützt eine zarte Vanillenote die Frucht dieses Weins.
Eigentlich ist die Klarheit des Konzepts der Weinerzeugung in Rueda sehr bestechend. Dazu gehört auch der offene Umgang mit den eingesetzten technischen Mitteln. Man könnte die These aufstellen, dass ohne die neueren Möglichkeiten der Weinanbau in Rueda nicht zu realisieren ist. In einer Image-Broschüre der Region ist da auch ein Vollernter abgebildet. Wenn man ehrlich ist, kann man nicht bestreiten, dass die dortigen Erzeugerpreise mit dieser hohen Qualität anders nicht möglich sind. Denn hier ist noch eine Besonderheit: Man liest die Trauben möglichst in der Nacht oder besonders gerne morgens. Bei der Wärme die hier auch noch im September häufig herrscht, würde die Ernte sonst zu stark leiden. Per Hand ist das auch in der Geschwindigkeit weder bezahlbar noch möglich.
Technik in der D.O. Rueda
Neben einer aktiven Nutzung modernster Technik ist man in Rueda zugleich inzwischen sehr bedacht, was eine nachhaltige Weiterentwicklung der Region anbelangt. Beim Thema Reinzuchthefen geht man seit Jahren schon von einer Uniformität weg und versucht eigene Hefen zu benutzen, wodurch eine noch stärkere Unterscheidung zu anderen Regionen entstehen kann. Das ist eine positive Entwicklung, so gab es doch eine Zeit, wo man so manchen Verdejo kaum vom Sauvignon Blanc aus Übersee unterscheiden konnte.
Der Weg einer erschwinglichen und zugleich hohen Qualität macht sich schon seit Jahren im Export bemerkbar. So verdreifachten sich die Ausfuhren in den vergangen 10 Jahren. Fast immer waren die jährlichen Steigerungen kontinuierlich, was für ein nachhaltiges Wachstum spricht. 2013 wurde mit 13 Mio. Flaschen ein neuer Höhepunkt erreicht. 20% davon werden in Deutschland getrunken. Hier vervierfachte sich die Menge in den vergangenen 10 Jahren. Und das in einem klassischen Weißweinland mit auch schon ganz guten Qualitäten in dem Preissegment 5 – 10 Euro, was beim Verdejo aus Rueda die meisten Weine ausmacht.
Groß und klein in Rueda
Man sieht viele recht große Bodegas in der D.O. Rueda. Aber es geht auch anders. Neben den großen Erzeugern gibt es eine Reihe kleinerer Weingüter wie die Finca Montepedroso mit ca. 20 Hektar Rebfläche. „Ein Weinberg, eine Rebsorte, ein Wein.“ So ist deren Konzept, wie Jose Maria de Castaneda erläutert. Wie bei vielen anderen Erzeugern der Region ist nicht nur die Übersichtlichkeit der Anzahl der Weißweine schätzenswert, sondern auch die hohe Qualität des Weins. Der vorzügliche Verdejo der Finca Montepedroso ist z.B. für ca. 7 Euro im deutschen Handel zu finden.
Ein Höhepunkt auf unserer Reise durch Rueda ist der Besuch beim Weingut Menade. Konservative würden es so ausdrücken: Hier kann man den Aufbruch der jungen Generation im modernen Spanien spüren. Eine gesunde Emanzipation von Traditionen. Für andere ist das Weingut in der Hand des stilvollen und ganzheitlich (weil ökologisch) ausgerichteten Teils der native IPhone-Generation. Unaufdringlich-internationales und zugleich zeitloses Design, geschmackvolle ausgewogene Weine mit Spannungsbogen und wirklich sympathische Leute, so könnte man das Weingut auf den Punkt bringen.
Menade bewirtschaftet in Rueda 118 Hektar nach biologischen Gesichtspunkten. Daraus entstehen drei Weine, die mit eigenen Hefen vergoren werden. Schon der einfache Verdejo aus 2013 macht so richtig Spaß. Dieser Weißwein ist sehr schön rund in der Frucht. In der Nase zeigt sich Grapefruit und fruchtiges Brausepulver. Am Gaumen ist eine ausgewogene und zugleich frische Säure. Ein großartiger Verdejo aus Rueda, auch wenn gerade dieser Wein nicht unbedingt als Profilwein zu bezeichnen ist. Das scheint bei Bioweinen aber nicht selten der Fall zu sein.