Parker ist eine Ikone. Eine Ikone des Weins. Doch wer ist Hanna Agostini? Sie schrieb ein Buch über Robert Parker. Dieses bezeichnet sich selbst als eine „nicht autorisierte Biografie“. Es ist vor wenigen Tagen auf französisch erschienen und schlägt hohe Wellen. Das Buch trägt den Titel „Robert Parker – Anatomie eines Mythos“ (Anatomie d´un Mythe). Die Anatomie ist laut meines Wörterbuchs die Lehre vom Aufbau eines Organismus. In dem Sinne wird Robert Parker als eigener Organismus verstanden, der einen anderen Aufbau hat, als andere Menschen. Sonnst würde dieser Titel keinen Sinn ergeben.
Der Titel stellt Parker als wichtiger als viele andere heraus. Es braucht seine Mythologisierung um dann am Mythos kratzen zu können. Ein Mythos meinte noch bei Aristoteles, dass eine Handlung nachgeahmt wird. In dem Sinne könnte das Buch einen empirischen Gehalt haben. Doch später entwickelte sich der Begriff des Mythos als Gegenbild zur Rationalität. Dabei sind in der Gegenwart mythologische Objekte entstanden, die in der Überhöhung diese aus einer natürlichen Begründung herausreißen und aus der heraus eine Vergötterung entsteht. Dieser Vergötterung entspricht auch, dass der Name Robert Parker auf dem Cover mehr als doppelt so groß ist wie der von Hanna Agostini.
Über bekannte Namen zu schreiben lässt zum einen etwas von ihrer Bekanntheit abfärben. Da fragte man sich in der Weinwelt noch vor Tagen, als man ihren Namen erstmals las: Wer ist eigentlich Hanna Agostini? Sie war eine Mitarbeiterin von Robert Parker. An dem Image ihres ehemaligen Arbeitgebers zu kratzen stellt den Kritiker als moralisch erhöht dar. Doch taugt die Geschichte um Hanna Agostini langfristig im Bewusstsein der weininteressierten Öffentlichkeit festzusetzen? Da kann man skeptisch sein. Was soll denn nach diesem „Enthüllungsbuch“ kommen. Und: Schlamm werfen ist keine sinnvolle Strategie um in der Weinwelt Karriere zu machen. Wenn man Schlamm wirft, bleibt auch immer etwas an den eigenen Händen kleben.
Man wird sich bald nicht mehr fragen: Wer ist Hanna Agostini? Nicht weil sie dann so bekannt ist, sondern weil sich die Aufregung legen wird. Robert Parker wird weiter seine Punkte vergeben und viele Käufer und Händler werden sich weiter danach richten. Evtl. Macht dieses Buch den Weinpapst nur noch bekannter.
Um welche Mythen geht es in dem Buch? Es wird versucht darzustellen, dass die Bewertungen von Robert Parker nicht realistisch sind. Dabei wirft die Autorin dem Weinpapst laut Stern Vetternwirtschaft vor. So sollen Parkers Verkostungen von befreundeten Großhändlern vorbereitet werden. Dieses Vorgehen wird von Mario Scheuermann in seinem Blog als vollkommen normal dargestellt.
„Für diese Handelspräsentationen kann man problemlose Einladungen bekommen. Lediglich einige ganz wenige Châteaux behalten sich vor nicht jeden zu empfangen. Bei anderen geht es ganz einfach der Reihe nach. Wer sich als erster anmeldet, kommt als erster dran. Wenn alle Termine vergeben sind, wird die Liste geschlossen und man hat das Nachsehen.“
Auch in der Welt ist inzwischen ein Artikel über das Buch erschienen. Dort werden zwar die Vorwürfe als „übertrieben“ charakterisiert. Zugleich wird Stuart Pigott mit den Worten zitiert: „Es gibt Gründe, an Parkers Seriosität zu zweifeln.“ Was nun dran ist, geklärt werden kann dies nicht so eindeutig. Als erfolgreicher Kritiker macht man sich eben Feinde und Neider zugleich. Das Wortgefecht hat allerdings einen Vorteil gegenüber anderen Methoden mit Feinden umzugehen. Es kann niemand dabei zu Schaden kommen. Berichtete William Langewiesche in der „Lettre International“ doch einmal davon, dass Winzer in Bordeaux über die Möglichkeit nachdachten Robert Parker wegen Alkohol am Steuer festnehmen zu lassen. Zudem solle Parker nach eigenen Angaben dort schon von jemandem mit einem Hund angegriffen worden sein.
Letztendlich läuft bei dieser Auseinandersetzung um Robert Parker alles auf die Fragestellung hinaus, ob man, wenn man eine Ikone beseitigt, gleichzeitig die Ikonographie abschafft. Auch wie ehrlich man dabei vorgeht, ist nicht unrelevant. Das ist die altbekannte Fragestellung der unheiligen Mittel für einen guten Zweck. Wenn man Schlamm und Nebel wirft, kann man eigentlich nicht das Ziel einer Aufklärung für sich beanspruchen. Für eine Abschaffung der Ikonographie bin ich. In dem Sinne kann man die Forderung „kill your idols“ verstehen. Robert Parker als anatomisches Objekt, gesponnene Mythen, die Vorwürfe gegen Parker und Hanna Agostini sind mir jedoch vollkommen egal.