Der Sommelier Frank Kämmer ist in seinem neuen Buch den Weinirrtümern auf der Spur. Diese gibt es reichlich. Das hängt damit zusammen, dass kaum ein anders Wissensgebiet so vielschichtig und unübersichtlich ist wie Wein. Selbst Einleitungen, Einführungsbücher oder Einsteigerveranstaltungen können sehr unterschiedlich aussehen. Manche Vorurteile sind abenteuerlich; andere sehr tief in kulturelle Praxen eingeschrieben. Aufgrund der Vielfältigkeit des Themas, bestehen auch die Irrtümer in vielen getrennten Bereichen. Aus diesem Grund bietet sich für ein Buch, welches sich mit den Fehlern beschäftigt und sie richtig stellt, die Form eines Lexikons an.
Der Schreibstil von Kämmer ist sehr verständnisvoll mit den Trägern der Irrtümer. Er unterscheidet sich deutlich von der Erzählweise eines Bastian Sick („Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“). Sick wittert in seinem Bestseller ständig einen Skandal und sieht eine Hochkultur bedroht. Dabei wird der vollkommen natürliche Wandel des gesprochenen und geschriebenen Wortes als falsch anprangert. Ebenso wie die Sprache wandelt sich die Weinwelt. Eine ungeprüfte Verteufelung jeder Neuerung würde da eine problematische Einstellung sein.
In dem Wein-Streit „Neue Welt“ gegen „Alte Welt“, der ja sehr häufig unzulässig als Konflikt zwischen Hochkultur und Alltags-/Massenkultur erscheint, nimmt Kämmer keine eindeutige Position ein. So kritisiert er einerseits das Vorurteil, dass in den USA keine Weinkultur bestände. Er argumentiert zugleich für einen geschmacklichen Unterschied zwischen Barriqueausbau und dem Ausbau mit Holzchips bei hochwertigen Weinen. Ohne jedoch den Einsatz dieser Methode im günstigen Preissegment vollkommen zu verwerfen. Dadurch könnte man den Holzverbrauch bei der Weinherstellung auf 10% der traditionellen Menge senken. Dies ist ein interessantes und kaum benutztes Argument. Hier entsteht eine seltene Spannung zwischen Tradition und Ökologie (auch im Sinne von Naturschutz).
Das Lexikon ist lesenswert und vermittelt zudem auch noch Detailwissen. Ich wusste vorher z.B. nicht, dass es in Kanada nicht nur Eisbären, sondern auch Eiswein gibt. Das Land ist derzeit sogar der mengenmäßig größte Eisweinproduzent weltweit. Andere Autoren hätten bestimmt das Buch abweichend aufgebaut und die einzelnen Texte in eine erzählerische Rahmenhandlung eingebettet. Aber so ist es sehr übersichtlich geworden und es kann auch einzelnen Irrtümern per Inhaltsverzeichnis auf den Zahn gefühlt werden. Da kann man schnell seine eigenen Vorurteile prüfen.
Frank Kämmer: Kleines Lexikon der Wein-Irrtümer, Eichborn, 2006, 189 Seiten, gebundene Ausgabe, 14,90 Euro