Der Pressespiegel zur ProWein 2008 ist sehr umfassend. An vielen Texten kann man kritisieren, dass sie ziemlich langweilig sind. Das hat bestimmt auch die Süddeutsche Zeitung so gesehen und mal etwas Neues probiert. Dabei hat sie aber voll daneben gegriffen. Einige kurze Auszüge aus dem Artikel “Die einen lallen so, die anderen so” von Ruth Schneeberger in der SZ vom 18.03. sollen dies zeigen.
“Von der Empore betrachtet, ist diese Messe nichts anderes als ein großes Besäufnis. Vorwiegend Männer in Businessanzügen stehen sich in Peer-Gruppen an Ständen, die vor Flaschen überquellen, die Beine in den Bauch, um einen mehr oder minder guten Tropfen nach dem anderen zu erhaschen. Rheinischer Unterschied zum Oktoberfest: Hier wird keine fettige Schweinshaxe, sondern feiner Käse zum Alkohol gereicht.”
“Um nicht allzu sehr ins Schwanken zu geraten, bedienen sich einige von ihnen spätestens nach dem zehnten Gläschen einer stilbildenden Methode, sich des Alkohols zu erleichtern: Sie spucken in Näpfe.”
“Die einzigen Gründe dafür, dass nicht alle paar Minuten eine Weinleiche aus der Halle getragen wird, können in Unmengen nebenbei konsumierten Wassers, deftigen Häppchen und einer erstaunlichen angeborenen bis anerzogenen Standfestigkeit liegen. Denn ausgespuckt wird an diesen Tischen nichts mehr.”
Ich weis nicht auf welche Veranstaltung die Autorin der Süddeutschen Zeitung geraten ist. Sie war bestimmt nicht auf der selben ProWein wie ich. Auch mit meinen Erfahrungen in den letzten Jahren hat dieser Bericht nichts zu tun. Es ist und bleibt eine Fachmesse auf der so gut wie nichts getrunken wird. Da gibt es nur ganz wenige Ausnahmen. Wenn die Autorin so etwas mal erleben will, so sollte sie auf eine Weinmesse für Endverbraucher gehen. Oder besser noch auf ein Weinfest. Ich würde auch gerne wissen, wo es “Käse” und “deftige Häppchen” zu den Verkostungen gab.
“… der Frankfurter Gastronom Ulrich Mlcoch, bei dessen Nachnamen man schon nüchtern ins Lallen gerät”
Wie oben deutlich geworden ist, scheint die Beobachtungsgabe ein wesentliches Problem der Autorin zu sein. Sich über Namen von Interviewpartnern lustig zu machen, ist auch nicht gerade die feine Art. Dies war ich von der Süddeutschen Zeitung bislang auch noch nicht gewöhnt. Aber so zeigt eben jeder, auf welchem Niveau er sich auseinandersetzen kann. Der Artikel ist leider nicht mehr online.
Es gibt diese erscheinungen, man hat schon Betrunkene gesehen, auf der ProWein: das ist aber eine absolute Ausnahme-Erscheinung…
Kleine Häppchen allerdings gibt es manchmal an den spanischen oder italienischen Ständen: etwas Käse, Salami, ein regionstypisches Brot – sympathisch, aber auch das ist selten anzutreffen.
Insofern erscheint deine Frage berechtigt, auf welcher Veranstaltung die Autorin gewesen ist!
Meiner Meinung nach ist der Artikel nur der Ausdruck absoluter Verzweifelung, nachdem Frau Schneeberger wohl feststellen musste, auf der ProWein absolut fehl am Platze zu sein.
Es kann natürlich auch sein, dass sie zu den – leider immer wieder vorkommenden – Parfümbomben gehörte. Ihre absolute Unwissenheit lässt dies zumindest vermuten. Dann ist es natürlich nachvollziehbar, dass sie die geselligen Messebesucher zu Gesicht bekam; die seriösen Messebesucher gehen Fremdgerüchen nämlich konsequent aus dem Weg.
Wer weiß…
Leider zeigt sich auch in diesem Bereich – wie bei der Berichterstattung über Web-Themen – eine neue Nähe der “Süddeutschen” zu Harald Schmidt. Der hat mal gesagt: “Lieber einen Freund verlieren, als eine gute Pointe auslassen.” Die “SZ” neigt immer mehr dazu, platt alberne oder provokante Artikel zu veröffentlichen, die nur dazu dienen, die vorgefasste Meinung des Autors wiederzugeben. Vielleicht deutet sich hier eine Boulevardisierung angesichts des neuen Eigentümers an.
@Gotorio:
Wenn du recht hast damit, dass es eine Entwicklung in der SZ ist, die an mehreren Artikeln nachlesbar ist, halte ich es verheerend. Es würde die zweite seriöse bundesweite Zeitung sein, die neuerdings eher von regionaler Bedeutung ist. Die FR hat das ja vorgemacht. Erst wird alles einfacher und übersichtlicher und dann nur noch regional.
Ich habe ja nichts gegen Harald Schmidt. Aber man sollte doch zwischen einer seriösen Berichterstattung und Comedy trennen. Und der Text, aus dem oben zitiert wurde, gehört eben auf eine Witze-Seite. Und Witz sollte man ach drüberschreiben, damit jemand Lacht und nicht fälschlicher Weise der Text ernst genommen wird. Im übrigen halte ich den Text genauso wenig lustig, wie das was normaler Weise und Witze-Seiten steht.
Ich kann die Kritik an dem Artikel von Frau Schneeberger nicht nachvollziehen. Mit ein bisschen Abstand betrachtet, also von der Empore, decken sich ihre Eindrücke durchaus mit meinen Beobachtungen bei Weinmessen.
@ Pasta:
Ich halte diese Kritik für ziemlich berechtigt. Journalisten haben nicht die Aufgabe ein Ereignis aus weiter Entfernung zu betrachten, sondern möglichst nahe heran zu gehen und möglichst scharfsinnig mit guter Beobachtungsgabe zu beschreiben. Die ProWein ist kein “großes Besäufnis”. Das ist genauso abstrus, wie wenn ich behaupten würde, dass bei der SZ von morgens bis abends gesoffen wird was das Zeug hält. Man kann man noch so weit weg etwas von Emporen betrachten und wird nicht gerecht fertigter Weise zu solchen Schlüssen kommen.
„möglichst scharfsinnig mit guter Beobachtungsgabe zu beschreiben“
Hallo Thomas!
Das hat sie doch gemacht. Nur nicht in der Form einer (vorgeblich) objektiven Berichterstattung, sondern ironisch – satirisch. Und dabei ist ihr eine Momentaufnahme einer Veranstaltung gelungen, bei der ganz viele Männer rumlaufen, die sich und die Sache viel zu ernst nehmen, und trotzdem häufiger mal die vorgesehene Umlaufbahn verlassen.
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