Alle Jahre wieder. Immer im Dezember kehrt das Champagner-Fieber zurück. Er wird zu Weihnachten verschenkt, gerne auch getrunken oder zum Anstoßen auf das neue Jahr besorgt. Vor drei Jahren haben wir uns mal an den Aldi-Witwen-Champagner herangemacht. Dann musste letztes Jahr eine Flasche vom Bissinger Rose von Lidl dran glauben. Auch wenn der Champagner-Krieg nun vorbei ist, haben wir uns nun den deutlich preisgünstigeren Comte de Brismand (ebenfalls von Lidl) besorgt und kalt gelegt.
„Weihnachten wird unterm Baum entschieden“ (aktuelle Werbung von Media-Markt) ist irgendwie passend, klingt aber etwas nach am Strick baumelnden Western-Schurken. Hier spiegelt sich der feinköstliche Leistungsdruck wieder, der mit solchen Nummern wie Champagnern kanalisiert werden soll. Das gelingt jedoch selten. Dem Bedarf nach Entladung der Anspannung oder auch der Angst unter dem Baum nicht den Erwartungen der Lieben zu entsprechen, schafft den Bedarf an solchen Dingen wie preisgünstigem Champagner.
„Luxus für alle!“, mit diesem Slogan wirbt inzwischen Lidl unter anderem auch für den Comte de Brismand. Ein Spruch, wie er noch vor Jahren von der PDS-Jugendorganisation solid verwendet wurde, soll nun dem Discounter einen reichen Ansatz besorgen. Dabei ist der Spruch nicht besser oder sinnvoller geworden. Luxus kann nie für alle da sein. Bei den Linksradikalen hat es noch einen gewissen Sinn, da soziale Ungleichheit bis zum Endpunkt thematisiert wird. Champagner kann es jedoch nicht für alle Menschen immer geben. Aber es gibt ihn heute für uns.
In der Werbung von Lidl wird für den Comte de Brismand eine ganze Reihe von Plaketten und Auszeichnungen verwendet. Da taucht die Stiftung Warentest oder auch die Berliner Weintropy auf. Die damals getesteten Chargen (L12410056, L 12 01 W6 und L 4201W6) bekommt man sehr wahrscheinlich nicht. Für uns stand der Comte de Brismand aus der Charge L1211W6 im Regal von Lidl. Es wäre sicherlich auch mal eine interessante Verkostung die Qualitätsvarianz vom Champagner einer Marke im unteren Preissegment zu verfolgen.
Die Herkunft des Comte de Brismand ist auch recht interessant. Es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass die Erzeugung von großen Häusern in der Champagne übernommen wird. Der Comte de Brismand (NM-448-006) wird wie die ebenfalls bei Lidl erhältlichen Champagner von Bissinger (Brut Rose und Premium Cuvee; NM-130-041) vom riesigen Champagnerhaus Vranken-Pommery erzeugt. Jedenfalls behauptet das die Stiftung Warentest. Gerne ranken sich um solche Informationen fabelhafte Geschichten, dass die Champagner im Discounter außergewöhnlich gut sind.
Einen Erzeuger kann man an der Nummer auf der Flasche ablesen. Unser Comte de Brismand trägt die Nummer NM-448-006. Die Zahlen sind eine Erzeugernummer. Leider gibt es hierzu keine öffentliche Liste. Das Kürzel NM auf der Flasche Comte de Brismand von Lidl steht für Négociant-Manipulant. Das ist ein Champagner-Haus, welches die Trauben, Most oder Grundwein kauft und daraus Champagner erzeugt.
Comte de Brismand verkostet
Zur Verkostung des Comte de Brismand von Lidl: Der Korken ploppt sehr schwungvoll. Passend zu einer Formel1-Siegerehrung ergießt sich der Champagner auf dem Wohnzimmerteppich. Heftiges schäumen im Glas. Dann aber recht bald deutlich müder. Ein-einhalb feine Perlenketten bleiben stehen. Helles strohgelb ist beim Lidl-Champagner Comte de Brismand im Glas. In der Nase ist grüner Apfel, Hefe und etwas Bauernmischbrot. Frisch und schmal am Gaumen mit schwungvoller Säure. Belebt, aber irgendwie etwas einfach. Der Comte de Brismand kommt mit ganz schmaler Frucht daher und wird sehr schnell müde.
So richtig angetan bin ich von dem Comte de Brismand nicht. Es ist ein akzeptabler Sekt für 11,99 Euro. Mehr nicht. Man bekommt eben häufig dann doch genau das, was man an der Kasse von Lidl bezahlt hat. Der Comte de Brismand hat weder etwas mit Luxus noch mit einem preisgünstigen Angebot zu tun. Sicherlich ist der Preis für diesen Champagner sehr niedrig. Für dieses Geld bekommt man aber auch sehr gute Flaschengärungen aus Deutschland oder einen vorzüglichen Cremant beispielsweise aus dem Elsass oder von der Loire.
Für weniger als 11,99 € kriege ich woanders einen richtig guten deutschen Winzersekt, der wesentlich mehr bietet. Wer dann lieber Champagner des Champagners Willen trinkt, kann ja zu Hause das Etikett überkleben.
@werner, ohne discounterchampagner ungebührlich zu verteidigen, aber soo viele richtig gute deutsche winzersekte unter 11,99 € gibts ja nun auch wieder nicht
@Boris
Sehe ich auch so. Winzersekt wird leider auch erst preislich etwas höher interessant. Der Weinladen bei mir auf der Straße hat jedoch 7 Winzersekte unter 12 Euro (darunter auch Riesling von Knipser). Zudem noch drei Sekte von Genossenschaften (so etwas gibt es ja auch beim Champagner).
Dann sind auf dem Markt mit Flaschengährung noch die deutschen Sekt-Häuser wie Kessler, Geldermann, Menger-Krug und Schloss Vaux. Das ist zum Teil ganz guter Sekt zu zivilen Preisen, also unter 20 Euro (teilweise auch etwas teurer).
Ohne Zweifel gibt es tolle Champagner, die ihr Geld Wert sind. Zugleich ist Champagner immer auch ein Mythos oder ein Produkt mit gutem Image. Und ich glaube das wird etwas im Discounter beschädigt.
Wie man auf dem unteren Bild erkennen kann, ist der Négociant-Manipulant ” Bissinger “. Auch die ‘Luxus’-Champagner früherer Aktionen bei Lidl waren wohl zumeist von Bissinger, oft auch auf dem Etikett als Bissinger ausgewiesen.
Boris & Thomas,
wenn ihr euch die Preise etwa von F.B. Schönleber im Rheingau anseht, der ja nun wirklich zu den besten deutschen Sekterzeugern gehört, werdet Ihr feststellen, dass man dort für 12,10 € schon richtig gute Sekte bekommen kann. Man muss also nicht die Plörre aus dem Discounter trinken.
Werner,
du hast ja in gewisser Hinsicht Recht. Mir gefällt z.B. der Riesling Brut vom Weingut Stoffel an der Mosel. Liegt auch bei ca. 12 Euro. Es gibt nur zwei Probelme. Es fehlt ein gutes Vertriebsnetz für gute Winzersekte. Da kann man man das Filialnetz von Lidl und Aldi zusammenrechen. Das sind ca. 7400 Filialen (3100 Lidl und 4300 Aldi). Winzersekt ist wesentlich schwerer zu bekommen.
Dann gibt es das Problem der Wertzuweisung. Champagner ist wahrscheinlich so erfolgreich, da es ein wiedererkennbare und verständliche Livestyle-Kommunikation betreibt. Das sieht bei Winzersekt anders aus. Da geht es meist um persöhnliche Bezüge zu Weingütern bzw. Händlern, die das empfehlen.
Beim Wein ist es leider oft so wie bei der Moden. Was einen guten Markennamen hat wird gekauft obwohl manch anderes für weniger Geld oft mehr bietet.
Habe mittlerweile auch festgestellt, dass nicht unbedingt die Teuersten auch die Besten sind. Manchmal muss man auch einfach mal etwas günstiges ausprobieren, um einen Vergleich vornehmen zu können. Wenn man dies getan hat, kann man vielleicht auf Dauer ein wenig Geld einsparen und trotzdem genießen.
Hallo Manuel,
sicherlich ist der Zusammenhang zwischen Preis und Qualität beim Champagner nicht immer direkt vorhanden. Aber die Billigsten sind ganz selten die Besten. So auch hier.
Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.