Nach einer aktuellen Studie von Nielsen ist die Markenbekanntheit sehr wichtig für den Verkauf im Internet. Besonders der Webshop muss dem Käufer als Marke bekannt sein. Nur 10% des Traffics auf Online-Shops stamme von Suchmaschinen. 61% der Nutzer gehen direkt auf die Seite des Händlers. Das sind schlechte Zeiten für die Suchmaschinenoptimierung (SEO) von Webshops. Bei der Weinakademie Berlin ist heute ein Artikel zu diesem Thema erschienen. Doch sind die Erkenntnisse der Nielsen-Studie tatsächlich auf Deutschland übertragbar? Verhält es sich beim Thema Wein genauso, wie bei anderen Themen?
Bei den beiden Fragestellungen sind Anmerkungen notwendig. Zudem muss man mehrere Bemerkungen zu dieser Studie machen, da die Ergebnisse nur begrenzt übertragbar sind.
A) Thema Wein und Weinshops unterscheiden sich von anderen Bereichen
Weinkonsumenten – besonders in Deutschland – sind eine eigene Klientel. Wein ist kaum vergleichbar mit anderen Produktgruppen. Gerade der Verkauf im Internet funktioniert ganz anders. Selbst in eher ähnlichen Ländern wie Frankreich und Deutschland (beide historischer und klassischer Weinbau im alten Europa) ist der Onlinehandel und die Markenbekanntheit von Onlineshops unterschiedlich (siehe hier). Wie erst in dieser Studie festgestellt, kaufen in Deutschland selbst intensive Nutzer und Autoren von Onlineanwendungen im Bereich Wein nicht sehr häufig in Onlineshops. Wein ist ein Produkt, bei dem der persönliche Kontakt und Vertrauen wichtig sind.
B) Weinshops sind kaum bekannte Marken
Es gibt in Deutschland kaum bekannte Marken von Weinshops. Nur wenige Weinshops arbeiten an diesem Thema. Von daher kann die Markenbekanntheit von Shops kaum beim Verkauf helfen. Selbst der größte Onlineshop Hawesko erzeugt seine Bekanntheit wesentlich durch Offline-Geschäfte und einem Katalog aus Papier. Andere Onlineshops für Wein sind Fortsetzungen von Filialgeschäften. Jedoch ist die Markenbekannheit des Weins selbst ein entscheidendes Kriterium für den Verkauf im Internet.
C) Informationssuche und Kaufinteresse unterscheiden sich
Immer wieder wird festgestellt, dass das Internet ein wichtiger Ort für schnelle Informationen rund um das Thema Wein ist. Auch als Ort für die Recherche über Weine eignet es sich sehr gut. Das hängt mit der Vielzahl an Weinerzeugern, Weinen und dem ständigen Jahrgangswechsel zusammen. Wein ist ein long-tail-Thema und passt aus diesem Grund im Bereich Informationssuche sehr gut ins Netz. Es werden auch sehr unbekannte Dinge gesucht. Hier sind Chancen für Weinhändler im Internet am long-tail, da ein lokaler Weinhändler die Vielfalt des Themas nicht bereitstellen kann (das verweist wieder auf den Punkt A).
D) SEO ist unwichtiger geworden
Richtig und nachvollziehbar an der Nielsen-Studie ist, dass SEO in der letzten Zeit unwichtiger geworden ist. Das liegt an der Bedeutungszunahme von sozialen Netzen. Genau hier können Marken gestärkt werden. Reale Verkäufe sind hingegen selten. Zudem ist bei Internet-Shops SEM neben dem SEO wesentlich wichtiger geworden (wir berichteten), da es ja nicht um das Gewinnen eines Blumentopfs für die meisten Besucher geht. Vielmehr interessiert sich ein Shopbetreiber für reale Verkäufe. Traffic ohne Kauf ist nicht nur wertlos, sondern schädlich, da er das System abbremst und eher auf der Kostenseite steht. (Das ist im Filialgeschäft nicht anders: Vergleichbar ist so etwas mit einem vollen Laden, der Kundenbetreuung erfordert, in dem jedoch kaum eingekauft wird.)
E) Ergebnis der Studie entsteht durch gute Kundenbindung der Onlineshops
Es ist anzunehmen, dass der sehr geringe Suchmaschinenanteil beim Verkauf im Internet mit deren Kundenbindung zusammenhängt. Wenn Shops wie Amazon erwähnt werden, ist davon auszugehen, dass es sich um einfach zu transportierende und häufig konsumierte Produkte wie Bücher handelt. Wenn man Bücher im Netz kauft, registriert man sich in der Regel bei einem Shop (in anderen Ländern bei zwei oder drei Onlineshops). In Deutschland liegt dies wegen der Buchpreisbindung auf der Hand. In den USA wird man aber auch eher zwei Shops vergleichen, bei denen man schon einmal gekauft hat. Kundenbindung entsteht bei der Zufriedenheit der Kunden und ist auch abhängig von der Häufigkeit des Kaufs. Hier unterscheidet sich das Thema Wein von anderen Produktgruppen wie z.B. Büchern (siehe A).
Lieber Thomas Günther,
ich denke, daß auch im Online-Weinhandel Marken eine große Bedeutung haben.
HAWESKO ist schon lange kein Katalog-Versender mehr. Wie in der gesamten Versand-Branche hat der Katalog nur noch mariginale Bedeutung. Wichtig ist, was on-line steht oder in Zeitun gen beworben wird.
Um eine Marke bekannt zu machen bzw. Bekanntheit zu erhalten, muß man sich aller Kanäle bedienen, die zum Kunden führen. Die ideale Kombination auch für Online-Geschäfte besteht aus Print, Online + Live-Events (z.B. Messe-Teilnahme / Tastings / etc.)
Lieber Michael Pleitgen,
bei dem Markenthema muss man zuerst die Markenbekanntheit des Shops von der Marke des Weins trennen (weitgefasst auch z.B. Appellation als Marke). Wenn es ein Shop schafft Wein ohne große Markenbekanntheit zu verkaufen, ist er selbst zur vertrauenswürdigen Marke geworden.
Hier ist bei Hawesko aus meiner Sicht einiges passiert. Der Anteil der Marken, die man mit dem Fachhandel aufgebaut hat, ist online weniger geworden (meine ich jedenfalls so wahrzunehmen). Zudem ist der Riese unter den deutschen Onlineversendern Hawesko mit 45 Jahren Unternehmenstradition ein Sonderfall.
In Frankreich gibt es drei große Weinwebshops (jeweils 10 Mio. bzw. 6 Mio Umsatz/Jahr). Die sind wesentlich durch das Onlinegeschäft selbst gewachsen und zu Marken geworden. In den USA ist der größte Online-Shop für Wein erst durch das Web2Null entstanden (keine Print- oder TV-Werbung). Das ist in Deutschland undenkbar.
Um etwas genereller zu werden: Sicherlich sind Marken nicht bedeutungslos. Ich sehe jedoch, dass viele Onlineshops in Deutschland immer noch intensiv an SEO arbeiten. Bei anderen Shops ist das Thema Markenbekanntheit des Shops nicht oben auf der Liste. Da geht es eher darum zufriedene Kunden zu haben, die gerne wieder dort einkaufen. Einige dieser eigentlich ziemlich unbekannten Shops mit guter Kundenbindung erzielen inzwischen gar nicht wenig Umsatz.
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