Früher hing man mit Freunden ab. Heute macht man ein Hangout. Ich gestehe es: Es war mein erstes Mal. Das Marketing für Neuseeland hatte einige Vertreter aus Handel und Journalismus (incl. Blogger) eingeladen um mit Caro Maurer MW und zwei Erzeugern dortiger Weißweine diese per Videokonferenz – genauer g+ Hangout – zu diskutieren und zu verkosten. Der Titel der Onlinekonferenz war „Pioneers of NZ“. Die Entwicklungen bei den Weinen aus Neuseeland sind nicht minder spannend als die der Onlinetechniken. Die früheren Versuche von Twitter-Weinverkostungen vor einigen Jahren sehen hiergegen noch wie Unterhaltungen mehrerer Leute mit dem Morsegerät aus. Viel mehr als das war es damals wahrscheinlich nicht, auch wenn es Spaß gemacht hatte. Erinnert sich noch jemand an #twv?
Zur frühstücklichen Kaffeezeit in Neuseeland saßen Barbara Lawson vom Weingut Lawson´s Dry Hills in Marlborough und Edward Donaldson vom Weingut Pegasus Bay in Waipara vor den Computern in ihren Büros. Beide Regionen liegen im Norden der Südinsel. In Deutschland war beim Hangout Abend. So konnte man – statt dem „Hallo wach“-Kaffee – ganz entspannt die Weine verkosten. Eingeleitet und moderiert von Caro Maurer erzählten die beiden Vertreter der Weingüter viel über die noch gar nicht so lange Geschichte und die derzeitige Situation des dortigen Weinbaus. Dabei merkt man immer wieder die Dynamik der eigentlich noch sehr jungen Weinwirtschaft in Neuseeland (wie auch schon auf der ProWein; ich berichtete). Selbst bei den Pionieren ist dies deutlich zu spüren. Für mich ist das immer wieder eine positive kulturelle Dimension: Ein Ausbruch aus der leider etwas bornierten Enge in Deutschland. Später im Hangout gab es für alle Teilnehmer die Möglichkeit etwas zu sagen und Fragen los zu werden.
Eine Frage wollte ich angesichts der hervorragenden beiden Weine nicht stellen. Gerade in Deutschland kennt und schätzt man die beiden Rebsorten Riesling und Gewürztraminer. Hier findet man neben dem Elsass und beim „Gewürz“ auch in Südtirol die internationalen Qualitätsspitzen. Neuseeland dringt in diese Weltspitze hinein. So verbietet sich eigentlich die Frage des Preises. Auch Edward von Pegasus Bay erläuterte, dass man beim Kampf um die niedrigsten Preise dort nicht mitmachen will und auch gar nicht kann. Das machen andere Länder und Regionen viel besser und sind dabei selten langfristig erfolgreich.
Die beiden beim Hangout verkosteten Weine waren außergewöhnlich und zugleich außerordentlich gut. Der Riesling aus Waipara (welches man nicht mit der Region Wairarapa auf der Nordinsel verwechseln sollte; dort gibt es sehr viel Pinot Noir und Sauvignon Blanc) stammt aus dem Jahr 2010. Edward bezeichnet die Mosel als Region, die auch für seinen Vater schon eine Referenz war. Und tatsächlich hat man einen sehr ähnlichen Ton in der Nase, der an die Schieferrieslinge der Flussschleifenregion erinnert. Nur ist dieser etwas in die Richtung von Vanille und Firne gehend. Auf einer fachlich versierten Blindverkostung würden diesen Wein aber sicherlich 90% der Verkoster der Mosel zuordnen.
Was den 2010er Riesling von Pegasus Bay aber von den deutschen Schieferrieslingen unterscheidet, ist die zwar frisch wirkende aber nicht ganz so druckvolle Säure und eine hier vorhandene schmelzige Fruchtfülle. 13% Alkohol sind auch nicht sehr typisch für die Mosel. Sie stehen diesem Riesling aufgrund des kräftigen Körpers aber ganz gut. Dieser regionale oder eigentlich geografische Vergleich hinkt ohnehin. Vielmehr ist es ein Zeichen dafür, dass uns die Rieslinge aus Neuseeland noch nicht so vertraut sind und man deswegen nach bekannten Referenzpunkten in der Weinwelt sucht. Lässt man das mal weg, ist der Riesling vom Weingut Pegasus Bay große Klasse. Allein die vielschichtige Aromatik, die die Nase durchströmt ist phantastisch. Da ist Finesse von Litschi, Zitrusfrucht bis zur Nektarine. Der Gaumen ist gut balanciert. Das Alterungspotenzial scheint auch recht hoch zu sein.
Der Gewürztraminer aus 2013 von Lawson’s Dry Hills aus Marlborough steht dem Riesling aus Waipara in nichts nach. Im Beipackzettel für Händler und Journalisten beginnt die Verkostungsnotiz so: „This wine is certainly not shy and retiring!“ Ganz recht. Hier springt mir rebsortentypisch ein trotzdem verspielter Duft nach Rosen und hellen Pfirsichen in die Nase. Am Gaumen wirken knapp 20g Restzucker, die aber wegen der Säure und den 14,5% Alkohol nicht wirklich süß wirken. Zugleich hat dieser Gewürztraminer eine weiche Textur. Er ist auf recht hohen Werten so ausbalanciert, dass er gut trinkbar ist. Das ist eine seiner wirklichen Stärken.
Häufig ist man bei solchen Weinen sonst nach einem Glas satt. Und beim Essen könnten sie dann nicht mehr anregend wirken. Ganz anders bei diesem Gewürztraminer: Zu diesem Weißwein aus Marlborough kann ich mir viele sehr passende Food-Kombinationen vorstellen: Mit einem indischen Curry ist das bestimmt fantastisch. Er wird die eventuelle Schärfe fruchtig zurücknehmen. Zugleich setzt dieser Wein dann seine eigenen Akzente und er wird das Essen bereichern. Aber auch solo ist dieser Gewürztraminer ein Genuss. Er ist weder Hausbacken, noch in seiner leicht zur Überladung neigenden Intensität abschreckend. Ganz im Gegenteil.
Das Hangout ist hier als Aufzeichnung anzusehen.