Die ProWein 2015 war wieder einmal eine Messe der Superlative. Mit insgesamt 52.000 Fachbesuchern hat die Weinmesse erneut zum Vorjahr deutlich zugelegt. Fast die Hälfte der Besucher reisten aus dem Ausland an, was die internationale Rolle der ProWein unterstreicht. Das neue Konzept mit inzwischen 9 Hallen ging sehr gut auf. Dazu trug eine übersichtliche Strukturierung der nach Ländern und Themen bei. Die Stimmung an den Ständen war wie immer positiv. Im Folgenden gibt es ein Logbuch über die persönlichen Erlebnisse von der Messe. Gerade bei der Größe der ProWein kann man da recht unterschiedliche Dinge erleben.
Einer meiner Schwerpunkte auf der ProWein 2015 waren ganz zufällig gereifte Weine. Man sucht ja gerade nach langjährigen Besuchen einer Fachmesse eher nach Themen, mit denen man sich zuvor noch nicht so intensiv beschäftigt hat. Die ProWein wäre sonst ziemlich langweilig. Und auf so einer Messe gibt es einiges was man sonst das ganze Jahr nicht bekommen kann. So ging es mit reifem Lugana los. Die Weine aus dem Veneto sind eine nun schon 10 Jahre anhaltende Mode auf dem deutschen Weinmarkt. Fast alle werden als Spaßweine der gehobenen Klasse jung getrunken und kaum jemand weiß, dass man einige der Trebbioano di Lugana reifen lassen kann. Fabio Contato von gleichnamigen Weingut hatte 6 Lugana zurück bis ins Jahr 1997 in seinem Gepäck mit zur ProWein gebracht. Entstanden sind sie unter Beratung des flying Winemakers Michel Rolland.
Die historische Vertikale auf der ProWein 2015 begann mit den noch aktuellen Jahrgang 2011. Den Holzeinsatz schmeckt man bei diesem Lugana recht deutlich mit Vanille. Groß ist dann der Jahrgang 2006 Der Mitgereiste Costantino Garibaldi erläutert auch, dass dieses Jahr als eines der wirklich großen beim Weingut Fabio Contato gilt. Er ist zu 100% im Fass ausgebaut, was man nicht in jedem Jahr macht. Die Nase ist sehr frisch. Eine leichte Manzanilla-Sherrynote wirkt in diesem Lugana sehr positiv. Der nachfolgende 2004er erscheint recht leicht und frisch mit einer spannungsreichen Säure. 2000 gilt ebenso als großes Jahr. Dieser Lugana von Fabio Contato wirkt leicht Restsüß mit präsenter Frucht und schönem Schmelz. Er erscheint keineswegs 15 Jahre alt zu sein. Viele unwissende würden wahrscheinlich so einen Wein nicht mehr öffnen wollen. Auch dieser Lugana wurde zu 100% für 12 Monate im Fass ausgebaut. Wieder was gelernt: Mancher Lugana kann reifen.
Die zweite Station auf der ProWein war eine Verkostung von 10 Jahren Riesling aus dem Remigiusberg vom Weingut Tesch an der Nahe. Das besondere hierbei ist, dass diese unter Stelvin verschlossen waren. Geleitet wurde die Verkostung von Sebastian Bordthäuser. Doch zuvor erläuterte ein Vertreter von Stelvin die Schwierigkeiten, die man vor 10 Jahren noch mit der Vermarktung dieses Produkts hatte. Viele Weingüter waren damals lediglich bereit ihre Weine im Preiseinstieg mit einem Schrauber zu versehen. Hintergründe sind, dass diese Verschlussart noch einen schlechteren Ruf hatte und bei gehobenen Rieslingen Befürchtungen bestanden das Produkt damit abzuwerten. Zudem gab es zu wenige gesicherte Erkenntnisse wie sich diese Rieslinge verändern. Um so mehr war man erfreut, als Martin Tesch sogar bereit war seine Spitzenweine wie den Remigiusberg mit Stelvin zu verschließen.
ProWein 2015: Tesch zeigt Rieslinge aus der Zeitmaschine
Rückblickend kann man sagen: Der Mut hat sich gelohnt. Teilweise erscheinen die Reislinge so, als kämen sie aus einer Zeitmaschine. Das heißt sie erscheinen wesentlich jünger als sie es sind. Und schon knackten die Schrauber. Fangen wir mit 2013 an. In der Nase hat man weißen Pfirsich. Dieser noch junge Remigiusberg besticht durch eine kräutrige Mineralität. Er wirkt frisch am Gaumen mit präsenter Säure, die Spannung aufbaut. Die komplexe Länge bringt neben der Frucht eine leicht rauchige Note. Der 2012er Riesling wirkt in der Nase etwas verschlossen. Dieser Remigiusberg hat eine dezente Kuhmistnote, die mich an die typischen Schäfer-Fröhlich Rieslinge erinnert.
2011 erscheint mir in der Nase etwas Schlank. Ein präsenter Säureauftritt erzeugt einen sehr frischen Gaumeneindruck. Diese beiden jüngeren Jahrgänge muss man etwas in Schutz nehmen. Offenbar hat auch der Riesling unter Stelvin nach einiger Zeit eine kleine Hängepartie, wo er als verschlossen erscheint. 2010 besticht mit einer präsenten leicht vegetabil erscheinenden Frucht in der Nase. Er ist Füllig am Gaumen mit einer betonten Säure. Der 2009er Riesling aus dem Remigiusberg ist hervorragend. Er ist sehr ausgewogen, vom Alter merkt man nur wenig. 2008 wirkt kraftvoll. Es zeigen sich erste Alterungsnoten in Richtung Quitte. Dieser Riesling ist füllig in der Länge mit Kräuternoten. 2007 wirkt sehr frisch mit leichten Alterungsnoten. 2006 brilliert in seinen vielschichtigen Fruchtönen. Dabei sind die Alterungsnoten passend. Firne im Nachhall. Der macht jetzt noch richtig Spaß. Den 2005er fand ich nicht ganz gelungen, da hier Petrolnoten bis deutliche Firne vorhanden sind. Insgesamt waren die Weine noch beeindruckend jung. Danke an Martin Tesch für dieses Verkostungserlebnis auf der ProWein 2015.
Auf der ProWein 2015 ging es weiter mit Champagner in der Lounge mit selbigem Namen. Champagne-Papst Boris Maskow (Foto) moderierte das Thema „Norden und Süden der Champagne – Champagnerregionen im Vergleich“. Es ging also um deutlich unterschiedliche Champagne. Nikola Neumann, die diese Veranstaltung auch hätte moderieren können, assistierte sehr freundlich und umsichtig. Mich beeindruckt immer wieder das Detailwissen von Boris. Ich will hier gar nicht so viel hier wiedergeben. Am besten man geht selbst mal auf eine seiner Veranstaltungen. Einen Champagner will ich aber noch erwähnen. Denn auch hier war der Jahrgang 2006 einer der Höhepunkte. Der Drappier Grande Sendree Brut hat mir ausgezeichnet gefallen.
Weiter ging es dann zu einem Private-Tasting auf der ProWein 2015 beim Stand von Neuseeland mit dem britischen Journalisten und Weinblogger Jamie Goode (Foto). Der Schwerpunkt dabei lag auf den auch sehr mengenstarken und hochwertigen Rebsorten Pinot Noir und Sauvignon Blanc. Trotz einer sehr hohen Vielfalt sind dies auch die Sorten bei denen man als erstes an Neuseeland denkt. Die Weinregionen sind zudem recht unterschiedlich geprägt. In Deutschland ist besonders Marlborough mit seinen Sauvignon Blancs bekannt.
Für die Weingeschichte von Neuseeland ist diese Region sehr entscheidend. Dort wurden erst 1973 die ersten Weinreben zu kommerziellen Zwecken gepflanzt. Für die Entwicklung der neuseeländischen Weinwirtschaft spielt das Jahr 1986 eine wesentliche Rolle, da das Weingut Hunter bei der Londoner Wine Show mit dem Sauvignon Blanc den Award gewonnen hat. Dies war ein Achtungserfolg, der zum einen die Aufmerksamkeit der Welt besonders auf die Region Marlborough erhöhte und zugleich den Erzeugern dort mehr Selbstvertrauen in ihre Weine gab. Neben dem Qualitätsanbau war jedoch bis 1992 der Müller-Thurgau die mengenmäßig stärkste Rebsorte in Neuseeland (heute Platz 36 mit 0,01%).
Seit 2005 ist der Sauvignon Blanc auch nicht nur qualitativ, sondern auch von der Menge her die wichtigste Rebsorte (mit 58%). Gefolgt wird sie von dem Pinot Noir (16%). Die Verkostung mit Jamie Goode startete beim Weingut Yealands. Das ist alles andere als ein kleiner Erzeuger. Man hat 1.500 Hektar Weinberge unter Bewirtschaftung. Der Sauvignon Blanc ist mit einer schwarzen Johannisbeere sehr typisch für Neuseeland. Bei den Pinot Noirs ist bei Yealands eine recht große Vielfalt erkennbar. Mit hat der Single Vineyard aus dem Awatere Valley in Marlborough extrem gut gefallen. Man hat hier eine runde volle Frucht mit Pflaumen und Schwarzen Kirschen. Am Gaumen ist dieser Pinot vom Weingut Yealands sehr rund.
Dann ging es weiter zum Graystone aus dem Waipara Valley. Hier präsentierte uns Nik Mavromatis (Foto oben) die Weine. Graystone wurde erst 2004 gegründet. Riesling ist hier eine wichtige Rebsorte, aber der Pinot Noir nimmt 60% der erzeugten Menge ein. Und natürlich darf der Sauvignon Blanc nicht fehlen. Der 2014er Weißwein war außergewöhnlich verspielt kräutrig. Viel interessanter und vielschichtiger als man die Weine aus dieser Rebsorte aus Neuseeland kennt. Der ist fruchtig mit Druck am Gaumen. In diesem Blend sind 85% des Grundweins aus Spontanvergärung. Der Rest wurde mit organischen Hefen vergören. Zudem ist er in alten Fässern ausgebaut. Eine durchaus interessante Art der Weinbereitung, die sich von der deutschen Weise doch etwas unterscheidet.
Ausgezeichnete Präsentation von Neuseeland in Düsseldorf
Natürlich probierten wir hier auch noch die Pinots. Der Thistle Ridge ist so eine Art Einstiegswein. Der hat mit seiner vollen Frucht und der frischen Säure schon ganz gut gefallen. Doch der wirkliche Star bei Greystone ist The Brothers Reserve. Der Jahrgang 2012 hat den Preis als besten Pinot Noir aus Neuseeland beim Decanter-Magazin gewonnen. Und das will einiges heißen, da die Konkurrenz hier eng ist. Die Wein ist extrem dunkel im Glas. In die Nase verströmt er einen dichten Fruchtgeruch mit reifen Schwarzen Johannisbeeren und Pflaumen. Am Gaumen ist dieser Spitzenwein extrem weich. Nik meinte man könne ihn durchaus 10 bis 20 Jahre lagern, was ich gerne glaube.
Die dritte Station beim Stand von Neuseeland auf der ProWein 2015 war bei dem biologisch/biodynamischen Weingut Seresin Estate. Man erzeugt in der Region Marlborough 6 verschiedene Pinot Noirs. Hier ist ganz interessant, dass viele Weine nach echten Personen benannt sind. Ohne die namensgebenden Menschen dies bitte persönlich nehmen sollen, hat mit hier Rachel am besten gefallen. Der Pinot Noir aus 2011 besticht mit vollem Körper und eleganter Frucht. Nach knapp 20 Weinen war es aber auch schon gut mit dem Verkosten. Es war nun mal ein langer, zwar schöner jedoch auch fordernder Tag auf der ProWein. Und das abwechselnde Verkosten von Pinot und Sauvignons ist nicht ganz einfach. Ich danke Jamie, dass er etwas von seinem umfangreichen Wissen geteilt hat.
Schon endet der erste Tag der ProWein 2015. Jedoch noch nicht so ganz. Es ging weiter in die Innenstadt zum Cava-Dinner ins Düsseldorfer Restaurant “Victorian”. Überschieben war die kenntnisreich von Yvonne Heistermann (Foto) moderierte Veranstaltung mit „CAVA Düsseldorf Experience“. Zu einem Menu wurden 8 verschiedene spanische Schaumweine aus dem Premiumbereich serviert. In diese Kategorie passen etwas mehr als 10% der Cava, die als Reserva (15 Monate) oder Grand Reserva (30 Monate) ausgebaut werden. Diese wurden von Frau Heistermann nicht nur sympathisch vorgestellt, sondern auch sehr passend mit den Speisen kombiniert. Kompliment dafür.
Und gerade der Cava war sehr passend an diesem Abend, da sie die nötige Frische bei nicht zu hohen Alkoholgraden an den Gaumen brachten. Heistermann erklärte dies damit, dass man in der D.O. Cava häufig etwas enger pflanzt und die Trauben auch etwas früher erntet. Das es in dieser Kategorie richtig tolle Schaumweine aus Flaschengärung gibt ist den Lesern dieser Seite sicherlich bekannt. Aber gerade diese Reservas und Grand Reservas waren sehr schön an den Abend. So kann man sie ganz gut zum Essen kombinieren, da sie auch genug Geschmacksintensität mit sich bringen. Neben dieser Kraft hatten diese Cava zugleich genug erfrischendes, so dass man gut lebendig den Abend verbringen kann.
Eine Cava-Entdeckungsreise nach der ProWein 2015
Mir war es etwas auffällig wie viele Veranstaltungen Yvonne Heistermann auf der diesjährigen ProWein moderierte. Ich kannte sie zuvor noch nicht wirklich. Der Abend mit ihr hat mir wirklich Spaß gemacht. Sie war unterhaltsam und inhaltlich sehr bemüht ohne zu sehr mit Zahlen zu hantieren. Und vor allem moderierte Frau Heistermann ohne den in letzter Zeit etwas weit verbreiteten Klamauk, der mich inzwischen ziemlich nervt, weil er von den Themen ablenkt. Gerade an so einem Messeabend will ich in Ruhe mich mit den Weinen beschäftigen und nicht noch einen Clown ertragen müssen. Zum Frühstück passt der besser.
An nächsten Tag besuchte ich dann einige heimische Weingüter auf der ProWein 2015. Zuerst ging es zum Rheingau. Bei dem Weingut J. B. Becker gab es einige Spätburgunder und Rieslinge. Herausragend war der Spätburgunder Auslese trocken aus dem Jahr 2003. Richtig erstaunlich, wie ausgewogen und harmonisch sich dieser Pinot aus dem Hitzejahr präsentierte. Ich kann mich noch gut erinnern. Noch bevor die Ernte eingefahren war, feierten dann allerorts Weinjournalisten und Winzer diesen Jahrgang.
Doch es war viel zu früh. Viele Winzer hatten viel zu reife Trauben. Die Weine wurden nicht selten zu alkoholisch und unausgewogen. Nur wenige und meist erfahrene Weingüter kamen mit der Ausnahmesituation des Jahrgangs zurecht. So bei diesem Spätburgunder aus der sehr guten Lage Wallufer Walkenberg vom Weingut J. B. Becker. Natürlich, er hat auch so seine 15% Alkohol. Aber weder riecht man dies noch ist diese Auslese zu fett. Dann probierte ich auch noch einige gereifte Reislinge, die mir sehr gut gefallen haben. J. B. Becker aus dem Rheingau brilliert in der RR-Klasse. Nein es geht hier nicht um Rolls Royce, sondern um reife Rieslinge. Der Traditionalist aus dem Rheingau zeigt hier seine Stärken.
Gleich daneben stand auf der ProWein 2015 Katharina Wechsler. Inzwischen gar nicht wirklich ein Geheimtipp mehr, hatte ich zuvor den leichten Verdacht, dass es sich nur um geschicktes Marketing rund um dieses Weingut in Rheinhessen handelt. Das ist es auch, aber die Weine stehen dem in nichts nach und sind richtige Klasse. Diese vornehmlich Spitzenrieslinge (aber auch Silvaner, Scheu und helle Burgunder) stehen im Vordergrund einer Bewertung des Weinguts. Sie gehören einfach ins Rampenlicht. Auch wenn Katharina selbst ohne ihre Leistungen um den modern interpretierten Riesling aus Rheinhessen da alleine gut stehen könnte. Nach Studium und Medienkarriere in Berlin ging sie 2009 in ihre Heimat Westhofen zurück.
Neues aus Rheinhessen auf der ProWein 2015
Die elterliche Weinproduktion bestand – in Rheinhessen traditionell nicht unüblich – aus einem Fassweinverkauf. Katharina erzählt, dass sie in ihrer Kindheit kein Interesse daran hatte und ihre Eltern es auch irgendwann aufgegeben hatte sie für den Weinanbau zu begeistern. Wahrscheinlich hatte sie damals auch mehr Trauben gegessen als geerntet. Dieses Desinteresse änderte sich dann ganz entschieden. Denn es stand im Raum das Weingut entweder aufzugeben oder in anderer Form weiterzuführen. Wobei die nur mit Erzeugerabfüllungen Sinn machte, so Katharina Wechsler.
Die detailreiche und konsequente Arbeit trägt imposante Früchte. Natürlich erzeugt der trockene Riesling Kirchspiel einige Anziehungskraft. Gilt dies ja als einer der Top-Lagen in Rheinhessen. Die recht frische und schlanke zugleich vielschichtige Art mit verspielter Frucht dieses Rieslings gefällt mir sehr. Im Unterschied zu manchem Großen Gewächs ist dieser Wein vom Weingut Wechsler tatsächlich trinkbar. Noch viel mehr bin ich positiv von der Monopollage Benn überrascht. Von dieser hatte ich noch nie gehört. Benn ist nur 6,5 Hektar groß. Die fast 50 Jahre alten Weinstöcke stehen auf einem von Lösslehm und Kalkmergel geprägten Boden. Der trockene Riesling aus 2013 erscheint mir etwas fruchtintensiver als der Riesling Kirchspiel, steht ihm aber im Finessenreichtum in nichts nach. Bei diesen hervorragenden Weinen werde ich selbst zum Wechsler.
Bei der französischen Castel-Gruppe gab es auf der ProWein 2015 eine kleine Runde bei der es wesentlich um Bordeaux ging. Hauptthema waren zwei Fassproben aus dem Jahrgang 2014 die vom Star-Önologen Alain Raynaud (Foto) präsentiert wurden. Als Sohn eines Winemakers erzeugte Raynaud seinen ersten Wein ohne die Hilfe seines Vaters im Jahr 1964. Seine Jugend verbrachte er auf dem Chateau la Croix de Gay in Pomerol. Zwischen 1994 und 2000 war er Präsident der Union des Grand Crus Classes. Seitdem ist der für die Castel-Familie für mehrere Weine aus Bordeaux tätig. So ist er dort unter anderem für den Tour Prignac (Medoc) und den Chateau de Haut Coulon (Cadillac Cotes de Bordeaux) verantwortlich.
Das von Alain Raynaud betreute Chateau de Haut-Coulon besteht aus Merlot, Cabernet Sauvignon und Petit Verdot. In der Nase ist er sehr dunkelfruchtig mit Schwarzen Kisrchen. Kräftige Tannine zeigen sich neben einer tiefdunklen Brombeerfrucht. Haut-Caulon ist nicht ganz so bekannt, was aber nicht an der Größe der Weine liegt, sondern daran, dass dieses Weingut lediglich knapp 4 Hektar groß ist. Das mit seinen 144 Hektar deutlich größere Chateau Tour Prignac bringt Weichselkirschen mit etwas Heu in die Nase. Dies entwickelt sich in der zweiten Nase zu einem roten Fruchtgemisch. Der Gaumen wirkt mit seinem Säureauftritt recht sanft. Naturgegeben hat man hier in der Jugend noch etwas grüne Noten. Beide auf der ProWein 2015 präsentierten Bordeaux geben mir in ihrer noch sehr jungen Phase eine sehr positive Vorschau auf den Jahrgang 2014 in Bordeaux.
Sehr interessante Bordeaux auf der ProWein 2015
Zwischendurch gab es noch – um das ohnehin schon hohe Niveau geradezu inflationär zu überbieten – etwas vom Chateau Beychevelle. So auch den aus dem Jahr 2009. Dieser Bordeaux hat mein Misstrauen an dem so unglaublich (aus meiner Sicht viel zu hoch) bewerteten Jahrgang deutlich gemindert. So war eines meiner Hauptargumente, dass die teilweise überbordende fruchtige Fülle, die diese Bordeaux viel zu häufig mitbringen, mit einigem Alter ins Negative umschlagen. Der Beychevelle stand sehr gut da. Immer noch Fülle, aber es deutete sich noch keine Zerfallserscheinungen der früheren Größe an. Auch hier mal eine Momentaufnahme, die genauer in den nächsten Jahren weiterverfolgt wird.
Wirklich schön war dann der Saint-Emilion Grand Cru Chateau Montlabert aus 2010. Das ist beim Bordeaux mein Lieblingsjahrgang in der letzten Zeit. Den Montlabert finde ich auch Klasse. In der Nase sind dunkel Früchte und Röstaromen. In der zweiten Nase kommt bei diesem Bordeaux eine sehr dichte Brombeere zur Geltung. Am Gaumen ist dieser Saint-Emilion Grand Cru kräftig und zugleich sehr gut balanciert mit feinen Tanninen. Die Säure unterstützt den lebendigen Nachhall. Das Chateau Montlabert ist seit 2008 der letzte Neuzugang bei Castel. 2010 war der zweite Jahrgang den man hier erzeugt hat. Zuvor waren umfangreiche Arbeiten auf dem Chateau notwendig, da es bei der Übernahme nicht gerade in dem besten Zustand war. Zu Montlabert gehören 12,5 Hektar Rebanlagen. Diese liegen recht nahe bei Cheval Blanc und Figeac. Dieser Rotwein besteht im Jahrgang 2010 aus 80% Merlot und 20% Cabernet Franc.
Beim Stand von Gipsy Wines auf der ProWein 2015 war Party. Es gab auch eine kleine geführte Verkostung moderiert von der sehr sympathischen Joyce from Paris (Foto links). Die zeitgemäße Weinpräsentation mit viel Spaß und ohne Platzkärtchen startete gebührend mit einem Champagner. Die Schlagzahl war recht hoch. Vier Weine möchte ich noch hervorheben. Philipp Kettern aus Piesport präsentierte einen recht ungewöhnlichen und interessanten Riesling, der in Kooperation mit Niepoort an der Mosel erzeugt wird. Noch ist dieser Wein ohne Namen. Der Musso von Vignaioli Contrà Soarda machte auch noch richtig Spass. Und dann gab es noch den Porno Noir.
Über die – gerade bei der Jugend sehr beliebte und erfolgreiche – Häschennummer hat die Pornoindustrie ihre Erfolge weit verbreitet. Und auch in die Weinwirtschaft bringt dies so einige Anreize. Der Porno Noir ist recht geil. Trinkbar zudem. Hier präsentiert sich auf der ProWein 2015 eher eine Edelnutte. Ich kann mir in diesem Segment auch noch einiges mehr vorstellen. Denkbar wäre für mich eine edelsüße Straßenprostituierte: Da hat sich bislang noch niemand so richtig herangetraut. So ist das ein guter und gut vermarkteter Wein. Am Ende der Messlatte ist er aber trotz seiner Größe und vor allem des Spaßfaktors aus meiner Sicht noch nicht. Danke auch an den Weinpunk für die Einladung an den Stand von Gipsy Wines.
Dann war ich auf der ProWein 2015 noch am Gemeinschaftsstand der Mosel. Dieser erstrahlt in einem neuen Glanz. Keine gelben Königskronen mehr, sondern ein sehr modernes Design, was zugleich sehr gut zur eher klassisch geprägten Mosel passt und diese hochwertig präsentiert. Hier probierte ich die Großen Gewächse vom Bernkasteler Ring durch. Wie schon fast traditionell, werden diese Rieslinge einfach auf einen Tisch gestellt und dann dem Publikum überlassen. Dieses Jahr war es auch noch ein sehr schöner Tisch, der den Verlauf der Mosel und bedeutende Weinlagen zeigte.
Die auf der ProWein 2015 präsentierten Großen Gewächse von Bernkasteler Ring hatten mit dem Jahrgang 2013 ein sehr hohes Niveau. Die fruchtige Fülle kam mir häufig nicht sehr trocken vor. Vom Weingut Franzen gab es zwei Große Gewächse. Recht angesehen und wahrscheinlich häufig besser bewertet ist sehr wahrscheinlich der Bremmer Calmont. Und das nicht nur weil die Lage mit ihrer Steilheit weltbekannt ist. Mir hat allerdings der Neefer Frauenberg mehr zugesagt. Erstaunlich, dass beide Rieslinge nur knapp 20 Euro für den Endverbraucher kosten. Den 2013er Riesling Ritsch Großes Gewächs von Carl Loewen will ich hier auch noch positiv erwähnen.
Weiter ging es an der Mosel zum Doctor. Ich bin ein ausgewiesener Fan der Lage Berncasteler Doctor und so probierte ich die Rieslinge beim Weingut Dr. H. Thanisch (Erben Müller-Burggraf). Auf dem Weingut ist seit einiger Zeit der aus Geisenheim kommende Maximilian Ferger als Gutsverwalter tätig. Bei dieser Auslese aus 2013 ist sehr positiv und erschaulich wie gut Frucht, Säure und Restsüße balanciert ist. Viel zu häufig kann man bei nicht gut erzeugten Auslesen in der Jugend außer pappiger Fruchtsüße nichts schmecken. Dieser Riesling ist jedoch trotz Auslese fein und ausgewogen. Ferger und sein Team hat eine sehr gute Arbeit geleistet. Großes Kompliment.
Geht es noch zu der Sonderfläche der ProWein 2015. Diese steht in diesem Jahr unter dem Motto „Same but different“. Hier reihte ich mich in den Medientross ein. Das Thema habe ich allerdings nicht ganz verstanden. Handelt es sich um die Jugendecke der ProWein? Es ging aber glaube ich mehr um ungewöhnliche Talente aus unterschiedlichen Ländern. Wobei man sich durchaus fragen kann, was in unserer inzwischen sehr bunten Weinwelt denn überhaupt noch normal ist. An vielen Stellen schreit es einen Kunterbunt an. All zu viele Themen und Motive werden bemüht.
Die beiden deutschen Beiträge zu „Same but different“ auf der ProWein 2015 Lukas Kauß (Pfalz) und Matthias Meierer (Mosel) passen beide sehr gut in die Kategorie ungewöhnliche und erfolgreiche junge Talente. Beide waren auch auf der Showbühne. Lukas erzählte etwas über Lambsheim, sein Weingut, seinen Hut und den Pornfelder. Alles soweit ganz gut. Dem Lukas sein „No Nazis“-Shirt empfinde ich als ein sehr passendes Statement auf einer internationalen Weinmesse. Ein anderes Thema: Aus meiner Sicht hat die deutsche Weinwirtschaft etwas mehr Migration verdient. Was ist mit einer Nachzeichnung der gesellschaftlichen Veränderung der vergangenen 60 Jahre?
Vielfalt dominiert die ProWein 2015
Nach der durchaus – meiner Meinung nach positiven – erfolgreichen Feminisierung der deutschen Weinwirtschaft frage ich mich gerade: Gibt es eigentlich ein hiesiges Weingut mit bedeutender Mitwirkung türkischer Migranten? Oder gibt es überhaupt Migranten in wichtigen Positionen? Und damit meine ich keine Investoren oder Partner aus reichen Industrienationen wie Japan oder den USA. Hinweise sind mir gerne Willkommen. Natürlich hat an diesem Zustand niemand Schuld oder trägt jemand dafür die Verantwortung. Aber gerade in dem Zusammenhang freue ich mich über die Weinwirtschaft in Einwanderungsländern. Sorry dass ich mit Fragezeichen gerade nach einer so erfolgreichen und für mich mehr als zufriedenstellenden Messe ende. Aber irgendwie entstehen Fragen immer umfangreicher, je mehr man andere für sich beantwortet hat.
Die ProWein 2015 war wie eingangs erwähnt wieder einmal eine Messe der Superlative. Und so ist der Artikel noch länger geworden als im vergangenen Jahr. Doch nach der Weinmesse ist vor der Messe. Nächstes Jahr sehen wir uns bestimmt in Düsseldorf wieder. Und zwischendurch gibt es ja noch andere besuchenswerte Weinfachmessen.
Vom 22. März bis 25. März öffnet die italienische Weinmesse vinitaly in Verona ihre Pforten.
Vom 14. bis 18 Juni gibt es dann die alle zwei Jahre stattfindende internationale Wein- und Spirituosenmesse VINEXPO im Messegelände von Bordeaux. Wir werden auch von dort aus berichten.