Kaum ein Winzer in Deutschland ist so stark mit dem Begriff Terroir verbunden wie Reinhard Heymann-Löwenstein. Sein önologisches Manifest vor 6 Jahren eröffnete mit: “Ein Gespenst geht um in der Weinwelt. Sein Name ist Terroir”. Das war natürlich nicht ganz unzufällig ähnlich mit dem Beginn eines kleinen, aber Aufsehen erregenden Büchleins eines anderen Autors. Der kam aus dem nahen Trier. Und auch “Terroir – Weinkultur und Weingenuss in einer globalen Welt” beginnt mit einem Bezug auf Karl Marx. Von ihm entlehnt Heymann-Löwensten, dass ein Begriff auch historisch sein muss. So startet seine Betrachtung eines sehr weit gefassten Terroir-Begriffs.
Auch hier klingt schon eine Kritik der esoterischen Naturweinverklärung an. Denn Wein ist ein Produkt von Menschen. Sogar das Terroir ist von Menschen bearbeitet, manchmal sogar erst erschaffen worden. Das wird an der Mosel in den Terrassen oder bei den in Stein gehauenen Weinbergen deutlich. Somit wirkt ein alleiniger Bezug des Terroirweins auf einen Begriff der Natürlichkeit absurd. An diesem Punkt kritisiert Heymann-Löwenstein die Ökoweinbewegung. Hier lösst sich der entstandene Anschein einer bipolaren Weinwelt zwischen Industiewein und Terroirwein auf. Weinbau wird als eine kulturelle Leistung deutlich.
Auch wenn aus vielen biologisch-dynamischen Weingütern wirklich sehr schmackhafte Weine kommen, kritisiert Heymann-Löwenstein eine unzureichende Reflexion der Texte von Rudolf Steiner. So scheint sein verworrenes Gesellschaftsbild – besser Gemeinschaftsbild – sich auch in Passagen über Weingenuss wieder zu finden. Heymann-Löwenstein sieht darin eine “Sehnsucht nach Spiritualität … jemanden wie Rudolf Steiner zum Guru des Weinbaus zu küren”.
Heymann-Löwensteins Terroirbegriff hat eine tief verwurzelte historische Dimension. Auch seine heutige kulturelle Rolle führt er auf den Stellenwert des Weins in der “heißen Phase der Bewußtseinsentwicklung” der Menschheit zurück. Neben analytisch historischen Bruchstücken sieht Heymann-Löwenstein Möglichkeiten und die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung des (menschlichen) Bewusstseins über den Terroir-Gedanken. “Die Idee Terroir erlaubt ein Mehr an Freiheit, … lädt ein zur Emanzipation”, heißt es da sogar.
Heymann-Löwenstein liefert keinen gradlinig-analytischen Zugang, sondern eine Sammlung lesenswerter Essays. Manchmal geht es dabei auch um Gott, Kirche und Glauben. Grade vor dem Hintergrund der rationalen Schärfe der Industrieweinproduktion ist dies sehr sympatisch. Man vermisst jedoch manchmal eine Greifbarkeit des Terroir-Begriffs. Heymann-Löwenstein begründet sein Vorgehen jedoch damit, dass Terroir ein “komplexer Begriff” mit “ganz unterschiedlichen Wirklichkeitsebenen” ist, der “verschiedene Perspektiven” zu Betrachtung benötigt.
Erstaunlich ist, dass neben eine deutliche Kritik des Industrieweins – wie noch im Manifest – eine Abgrenzung zur Esoterik und einer Verwendung des Terroir-Begriffs alleinig zum Marketing hinzugekommen ist. Wo Heymann-Löwenstein im Buch “Terroir – Weinkultur und Weingenuss in einer globalen Welt” mit Karl Marx beginnt, endet er mit Apollon. Dazwischen liegen 162 – im besten Sinne der Worte – unterhaltsame und kurzweilige Seiten.
Reinhard Heymann-Löwenstein: Terroir – Weinkultur und Weingenuss in einer globalen Welt, 173 Seiten, Kosmos Verlag, Stuttgart, 2009, 19,95 Euro
Hallo Thomas,
dies ist eine gelungene Rezension.
Ich habe dieses Buch am WE in die Finger bekommen und konnte mich nicht davon lösen;)
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