Dieser Tage ist der 9. Jahrgang der Großen Gewächse der Weingüter im VDP öffentlich vorgestellt worden. Zudem feiert der Verband Deutscher Prädikatsweingüter in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Wir baten den Präsidenten des VDP Steffen Christmann um die Beantwortung einiger Fragen rund um den derzeitigen Stand der Großen Gewächse und einige Herausforderungen für die Zukunft dieser Spitzenkategorie trockener Weine aus Deutschland.
Frage In den deutschen Anbaugebieten werden viele Rebsorten angebaut. Riesling und Spätburgunder gelten als international besonders geachtet. Zugleich gibt es Große Gewächse aus einigen anderen Rebsorten. Welchen Sinn hat dies? Welche Herausforderungen stellt dies an das Markenprofil Großes Gewächs?
Christmann Das Große Gewächs ist keine Marke, sondern ein Wein, der seine Herkunft ideal präsentiert. Dazu gehören auch die regionalen Profile unserer Weinbauregionen. Autochtone Rebsorten sind für unsere Regionen typisch und haben meist eine lange Historie. Diese Tatsache ist auch einen Ausprägung des Terroirs und fügt sich somit stimmig in das Konzept der Klassifikation.
Frage In den Gebieten Mosel und Rheingau gibt es (mit unterschiedlichem historischem Hintergrund) Weingüter, die Große/Erste Gewächse erzeugen und nicht Mitglied im VDP sind. Sind beides Auslaufmodelle oder gibt es ein verbandsoffenes Modelprojekt der Zukunft?
Christmann Wir haben von Anfang an gesagt, dass das System grundsätzlich offen sein soll für alle, die bereit sind, die Klassifikation mit dem ganzen Betrieb zu leben. Zunächst muss das Konzept innerhalb des VDP funktionieren und von Fachleuten wie Konsumenten gelernt und verstanden werden. Wir kommen bald ins 10. Jahr der „gelebten Klassifikation“ und haben viel erreicht, doch noch immer sind wir am Feinschliff – das ist der Vorteil einer privatrechlichen Klassifikation.
Frage In den vergangenen Jahren sind das Prestige und der Preis von Großen Gewächsen in Deutschland und der Welt gestiegen. Wir erleben Mindestpreise von 15, 20 oder sogar 25 Euro. Zugleich hört man von einigen Weingütern, dass es nicht leicht ist, ihre Weine zu diesen Preisen zu vermarkten. Wie wird die Entwicklung aussehen?
Christmann An unseren Statistiken ist eindeutig eine Steigerung des Preises in den vergangenen Jahren abzulesen. Wir gehen davon aus, dass es weiterhin moderate Preissteigerungen geben wird. Das Angebot von Großen Gewächsen wird immer von Natur aus limitiert sein und die Nachfrage steigt. Noch immer zählen Deutsche Spitzenweine zu den günstigsten der Welt. Auch innerhalb des VDP wird es immer unterschiedliche Preise aufgrund der Unterschiede im Renommee der Weingüter geben.
Durchschnittlicher Preis pro Flasche Großes Gewächs für den Endverbraucher nach Hochrechnungen des VDP
Frage In wieweit ist die derzeitige Klassifizierung der Ersten Lagen angebracht? Es gibt Rieslinge aus diesen Lagen mit Kennzeichnung als Lagenweine, die für unter 5 Euro angeboten werden. Diese besitzen leider nur sehr selten eine Lagentypizität. Besteht Handlungsbedarf, da Lagennamen als Marken vom VDP aufgebaut werden, aber mit einfacheren Qualitäten von anderen Betrieben genutzt werden?
Christman Unser Ziel ist es mittelfristig, dass nur noch Lagennamen auf dem Etikett stehen, die auch eine Aussage und ein Mindestqualitätsniveau haben. Wir haben uns intensiv in die Weinbaupolitik eingeschaltet und gehen von einer Aufwertung der Lagen auch im normalen Bereich aus. Bislang waren aber preiswerte oft auch einfachere Weine mit Lagen hinderlich, aber auch kein wirkliches Problem.
Frage Abschließend eine Perspektive. Die globale Erderwärmung bedeutet auch eine Verschiebung der Wertigkeit von Lagen. Einige Erste Lagen werden profitieren, in anderen wird man anders arbeiten müssen und für einige Lagen wird es schwieriger werden. Was bedeutet dies für die Ersten Lagen des VDP? Wird eine weitere Dynamik in der Klassifizierung notwendig werden?
Christmann Zunächst ist die gesamte Entwicklung noch kein Problem. Wir haben Jahrhunderte wegen des kühlen Klimas an Reifeverfrühung gearbeitet, denn die normale Reife war ursprünglich später. Unser System war von Anfang an flexibel ausgelegt. Genauso wie ein Weingut im VDP sich über viele Jahre und kontinuierlich beweisen muss, so wird auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten die Lagenklassifikation immer wieder überprüft und ergänzt werden müssen. Bis dato sehen wir den Klimawandel sehr zu unseren Gunsten und wir haben durch die Arbeit im Weinberg (Laub, Grüne Lese, Frühe und selektive Lese) viele Möglichkeiten, unser Ideal von Wein zu ernten.
Vielen Dank für das Interview.
Hintergrund
Steffen Christmann ist Vorsitzender der VDP, des Verbandes der Prädikatsweingüter. In diesem Verband sind derzeit mehr als 200 Weingüter aus allen deutschen Anbaugebieten zusammengeschlossen. Als Aufgaben des Verbandes werden die Pflege der Weinkultur und -geschichte in Deutschland, eine stetige Verbesserung der Qualität seiner Mitgliedsbetriebe und die Förderung des naturgemäßen Weinbaus verstanden.
Christmann löste 2007 Michael Prinz Salm zu Salm aus dem Anbaugebiet Nahe in der Funktion als Verbandspräsidenten ab. Er übernahm 1996 im pfälzischen Gimmeldingen das Weingut A. Christmann. Ebenso wie Prinz Salm erzeugt dieses Weingut Weine aus ökologischen Anbau. Berühmt sind seine Großen Gewächse mit der Rebsorte Riesling aus den Lagen Idig, Mandelgarten und Reiterpfad.
Die Großes Gewächse 2009 aus Riesling aus verschiedenen Regionen im Detail verkostet.