Diese Angelegenheit ist fast schon ein Sommerkrimi: Verärgerte Top-Winzer und der Anschein der Bestechlichkeit eines Weinjahrbuchs, das bislang nur wenige kleine Schönheitsfehler hatte. Die Geschichte ist schnell erzählt. Der Gault Millau – neben dem Eichelmann eines der Jahrbücher über deutsche Weine – bat die in ihm aufgeführten Winzer sich an den Produktionskosten mit 195 € (plus Mwst.) freiwillig zu beteiligen. Im Gegenzug sollte es einige kleine Gegenleistungen, wie Freiexemplare, Nutzungsrechte und Türschilder geben.
Gegen diese neuen Regelungen schrieben 14 Top-Winzer aus verschiedenen Anbaugebieten einen Offenen Brief an den Verlag des Gault Millau in München. Diese möchten in Zukunft keine Probeflaschen mehr einreichen und erwarten, dass “in Zukunft auf einer Publikation von Verkostungsergebnissen ihrer Weine und einer Beschreibung ihrer Weingüter abgesehen wird”, wie es in dem Offenen Brief heißt. An vielen Stellen wurde sich in den vergangen Tagen aufgeregt und einige zumindest zweifelhafte Behauptungen getroffen.
Erstunterzeichner:
Weingut Bercher, Weingut Helmut Dönnhoff, Weingut Rudolf Fürst, Weingut Gunderloch, Weingut Dr. Heger, Weingut Heymann-Löwenstein, Weingut Josef Leitz, Weingut Johner, Weingut Knipser, Weingut Köhler-Ruprecht, Weingut Gunter Künstler, Weingut Meyer-Näkel, Weingut Egon Müller, Weingut Seeger
Veränderte Wein-Medienlandschaft
Im Hintergrund der Auseinandersetzung steht eine ganz andere Fagestellung. Da geht es gar nicht um den Gault Millau, um persönlichen Befindlichkeiten oder die Fragestellung von Bestechlichkeit bei Weinbewertungen. Das eigentliche Thema ist vielmehr: Wie finanziert sich eine möglichst unabhängige Verksotungsinstanz? Und wie schafft sie es eine Bedeutung zu haben, ohne in eine der vielen Abhängigkeiten zu geraten? Gerade die Notwendigkeit für den Gault Millau, diese zusätzliche Finanzquelle zu erschließen, zeugt davon, dass die bisherige Finanzierung eine Lücke aufweist.
Wenn man diese Fragestellungen berücksichtigt, kann man den 14 aufständigen Top-Winzern für ihren Offenen Brief dankbar sein. Denn genau die sehr heikle Fragestellung um Weinbewertung und die Bedingungen einer möglichst hohen Seriosität wird aufgeworfen. Und so ist dass, was anfangs als Sommerkrimi erschien, eine handfeste Auseinandersetzung über die Zukunft und vor allem die Voraussetzung einer Zukunft unabhängiger Weinmedien. Man kann sich dabei bestimmt auch fragen, ob solche Weinjahrbücher noch in die heutige Medienlandschaft passen. Diese hat sich enorm verändert – genauso wie die Weintrinker.
Auswirkungen der Auseinandersetzung
Solche Fragen sind nicht die einzigen Wirkungen. Zugleich ist mit dieser Auseinandersetzung der Gault Millau Wineguide bekannter geworden. Gleichzeitig wurde auch sein Ruf beschädigt. Er wird zudem wahrscheinlich etwas dünner werden, da anzunehmen ist, dass zumindest die aufständigen Winzer keine Probeflaschen mehr an den Gault Millau Wineguide schicken werden. Zugleich wird er dadurch auch weniger attraktiv sein, wenn Top-Winzer einfach fehlen.
Eigentlich ist die ganze Trauben-Bewertung dann weniger sinnvoll, da der Leser ja gar nicht mehr nachvollziehen kann, ob der Gault Millau einen bestimmten Betrieb aus Absicht wegen geringer Qualität der Weine nicht berücksichtigt oder ob der Betrieb einfach keine Weine einreicht. Dass gerade Top-Winzer sich nicht mehr beteiligen möchten, stellt die Bewertung dann auf den Kopf. Man kann gespannt sein, wie dieser Sommerkrimi weitergeht und welche Lösungen für die aufgeworfenen Fragestellungen gefunden werden. Auf jeden Fall ist es das meist diskutierte Thema im Netz seit einiger Zeit.
Hallo Thomas,
freut mich hier auf einen reflektierten und bedachten Artikel zu dem “reinigendem Gewitter” zu lesen. Wie du es erwähnst ist das Thema zur Zeit recht heftig und kontrovers in der Diskussion.
Meiner Meinung nach stehen da wohl noch andere Gründe für den offenen Brief Raum , als nur der “Unkostenbeitrag” bzw. “Logogebühr”.
Desweiteren werden sich die jüngeren Weintrinken (auch einige Ältere;) ihre Informationen dort holen wo es Ihnen am besten passt – dies werden wohl kaum die klassischen Printmedien sein (siehe auch: Vincellar, Snooth, Cellar Tracker usw.)
Natürlich wird dies die Spezies “Weinjournalist” nicht völlig ersetzten, aber die Frage der Monetarisierung wird wohl für die meisten dieser Spezies offen bleiben.
Es mag sicherlich auch andere Gründe geben. Und auch bei vielem was da derzeit im Netz zu lesen ist, gibt es in einigen Fällen noch andere Gründe, als einer Auseinandersetzung mit dem Thema. Nur ich glaube, dass so etwas nicht weiter führt. Da feinden sich dann immer nur Leute an, ohne dass dies in irgendeiner Hinsicht die Problematik weiter entwickelt.
Zugleich hast Du recht mit der Entwicklung. Ich kenne eigentlich nur ganz wenige Leute in meinem Alter, die sich anschauen, was im Gault Millau oder im Eichelmann steht. Das ist vielen Weinkonsumenten vollkommen egal. Der lokale Handel außerhalb von Weinregionen und wenigen Großstädten bildet diese Vielfalt ohnehin nicht ab. Und wenn man schon im Internet kauft, dann informiert man sich auch hier.
Trotzdem hat der Gault Millau eine Auflage von 20.000. Bei einem Preis von 30 Euro pro Jahrbuch ist das ein Umsatz von 600.000 Euro. Damit müsste man eigentlich so ein Weinguide auch erstellen können; selbst wenn man Handelsspanne, Verwaltungs- und Druckkosten abzieht. Werbeeinnahmen kommen dann auch noch dazu. Da hat sich bislang auch noch niemand dran gestört.
Hallo Thomas,
schöner Artikel und auch schön, dass Du Dich auch wieder mehr zu Wort meldest! Ich teile auch eine ganze Reihe Deiner Einschätzungen, aber Deiner Umsatzberechnung muss ich widersprechen:
Die 20.000 Exemplare werden ja zu einem deutlich niedrigeren Preis als dem Endverbraucherpreis an Buchgroßhändler verkauft und kommen erst mit zweifachem Aufschlag (Großhandel & Handel) auf die 30 Euro Ladenpreis. Außerdem wird ein hoher Prozentsatz der WeinGuides erst ein Jahr später zu einem deutlich niedrigeren Preis (meist Rund 10 Euro) als Vorjahresexemplar verkauft. Ich kenne mehr Leute, die es zu diesem Zeitpunkt kaufen, als direkt nach erscheinen. Wenn man die beiden Faktoren zusammennimmt, sind wir am Ende bei max. 300.000 €.
Gruß, Ralf
Hallo,
danke für den interessanten Bericht. Jede Veröffentlichung, die die Zusammenhänge der immer diffuser werdenden Weinkritiken und -prämierungen entwirrt ist ein wichtiger Beitrag zu neuer Transparenz und Klarheit auf dem Markt.
Pingback: Wer zahlt die Rechnung?
@ Ralf:
Ich hatte die Rechnung nur gemacht, um zu verdeutlichen, dass dieser Weinguide durchaus über einige finanzielle Mittel verfügt und diese auch ausreichend sein könnten. Mir liegt auch die Ausgabe von 1994 vor. Diese umfasst 350 Seiten, 263 Erzeuger und 1400 Weine. Das kann man mal mit heutigem Umfang vergleichen. Evtl. wäre es eine gute Alternative gewesen, erstmal zu schauen, wo man etwas Geld einsparen kann, als sich mit so einem Brief an die Winzer zu wenden.
@ Andreas:
Ich war bei diesem Text immer um Klarheit und vor allem Beweisbarkeit der Feststellungen bemüht. Leider scheint sich bei dieser Geschichte im Hintergrund sehr viel anderes abzuspielen.
Auch die Reaktion des Verlages des Gault Millau geht eher von einem Missverständnis der Formulierung um den “freiwilligen Beitrag” aus. Da kann man fasst vermuten, dass einige der beteiligten Winzer schon lange ein gewisses Misstrauen gegen den Gault Millau hatten. Es gibt bei allen Schreiben einen Subtext. Und gerade bei Offenen Briefen hat man immer zwei Adressatenkreise.
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