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Video im Weinshop: Vier Fallbeispiele

Video ist derzeit das große und aktuelle Thema beim Verkauf über das Internet. Viele Produkte benötigen eine Erklärung und können mit bewegten Bildern gut dargestellt werden. Dies betrifft ganz wesentlich auch den Wein. Und so ist es nicht verwunderlich, dass inzwischen zahlreiche deutschsprachige Weinshops ihre Weine in Videos präsentieren. Wir möchten vier ausgewählte Shops im Folgenden kurz vorstellen. Denn die Videos könnten kaum unterschiedlicher sein.

Als eines der ersten Weinshops mit eigenen Weinverkostungsvideos ist genuss7.de. Bereits seit Anfang 2008 präsentiert Jochen Mössner kenntnisreich die Weine. Bislang sind bei genuss7 über 600 Produktvideos entstanden. Die Beschreibungen sind sehr umfangreich. Mössner verkostet nach einem festen und etablierten Konzept: Farbe, Geruch, Geschmack und Nachhall. Abschließend werden auch immer eigene Punkte vergeben. Bei der Präsentation der Weine konzentriert sich Mössner auf Sachlichkeit. Auf Entertainmentelemente wird verzichtet.

Enomio.de ist seit Mai 2009 ein weiterer Weinshop mit Verkostungsvideos. Hier stellt die Sommeliere Christina Hilker die Weine vor. Mit vielen Ideen z.B. wechselnden Locations und Gästen werden fachlich perfekt die Weine präsentiert. Leider erscheinen die Videos etwas trocken und die Begeisterung für die Weine ist nicht immer nachvollziehbar. Positiv sind jedoch die Kombinationsvorschläge zu Speisen. Dies erklärt sich auch mit Hilkers Werdegang über die Gastronomie.

Im Unterschied zu den anderen Weinshops funktioniert enomio als Liveshopping. Es handelt sich bei dem aktuell vorgestellten Wein also um ein zeitlich befristetes Angebot. Wie sinnvoll ein solches Konzept ist, wird sich zeigen. Gerade bei Internetshops, wo keine eigenen Probiermöglichkeiten vorhanden sind, ist ein Testkauf jeweils kleiner Mengen und eine Nachbestellmöglichkeit beim Gefallen eines Weins sehr sinnvoll. Auch wenn gerade die Videos in Weinshops ein Vertrauen zum Produkt herstellen sollen, ist die sich selbst gestellte Aufgabe doch etwas groß, dass der Kunde gleich eine ganze Kiste eines unbekannten Weins bestellt. Es gibt einfach nicht nur guten und schlechten Wein (was fachlich bewertet werden kann), sondern auch persönliche Vorlieben bei den Kunden.

Eines der neuern Videoformate zum Verkauf von Wein ist TVino.de. Hendrik Thoma hat die Moderation übernommen. Er besitzt als Mastersommelier eine hervorragende Reputation und ist für seine unterhalterischen Qualitäten bekannt. Hinter TVino steht mit Hawesko der größte deutsche Online-Weinversender mit einem Jahresumsatz von 14 Mio. Euro (geschätzter Marktanteil im Onlinegeschäft 20%). Das Format ist extrem professionell gestaltet, was an Studioeinrichtung, an Cliffhangern und wiederkehrenden Claims erkennbar ist. Diese Professionalität kann jedoch auch ein Nachteil sein. So bestehen bei Web2Null-Projekten gerade in einer leichten Fehlerhaftigkeit und in einer subkulturellen Prägung die authentischen Reize.

Ein weiteres frisches Wein-Videoformat ist undwein.de. Dies ist das eigenständigste und ungewöhnlichste Format eines Weinshops. Dem frankfurter Weinhändler Jan Mangold merkt man an, dass er häufig reale Kontakte zu Endverbrauchern hat. In einem Gespräch mit seinem Alter Ego Olaf wird ein Thema erschlossen und Weine verkostet getrunken. Dabei wird Weinwissen präsentiert ohne damit zu langweilen. Viele kulturelle Bezüge und vor allem eine etwas schräge Präsentation machen undwein.de selbst dann sehenswert, wenn man sich gar nicht für Wein interessiert.

Bei diesem kurzen Zappen durch die Videos der Weinshops fällt auf, wie unterschiedlich diese sind. Sie reichen von einer möglichst objektiven und fachlich umfangreichen Produktbeschreibung bis hin zu unterhaltsamen Formaten. Generell gibt es unzählige Wege Wein zu verkaufen. Anforderungen gibt es ja auch ganz unterschiedliche, da nicht nur die Welt der Weine extrem vielfältig ist, sondern auch das Spektrum der Kunden.

Aus unserer Sicht besitzen gerade die Formate hohe Erfolgsaussichten, die den Kunden emotional berühren. Denn Wein ist nicht nur erklärungsbedürftig, sondern hat selbst emotionale Komponenten. Zudem scheinen Videos im Weinshop nicht immer gleich zu funktionieren. So macht es z.B. keinen Sinn einen teuren Bordeaux im Video vorzustellen. (Zumindest müsste man hierfür erst ein neues Video-Format entwickeln.) Und so mag es auch nicht verwundern, dass alle drei großen französischen Weinshops (mit einem Jahresumsatz von mehr als 5 Mio. Euro) im Netz vollkommen ohne Videos auskommen.

Auch die Form des Videos sollte an das Produkt angepasst sein. Lifestyle-Produkte wie Champagner verkaufen sich nun mal über Spass und gute Laune. Beim Champagner nur sachlich zu analysieren, verfehlt die Zielgruppe. Genau hier zeigt sich die Leistung der Champagner-Verkostung bei undwein.de. Sie erweckt einfach den Eindruck, dass man mit guten Freunden nach ein oder zwei Gläsern dieses Champagners eine Menge Spass hat. Dies ist die kaufentscheidende Botschaft. Und wenn Herr Mangold erklärt, dass Damen durch Champagner schöner werden, ist das einfach nur nett.

Aber um es zu wiederholen: Viele unterschiedliche Formate können erfolgreich sein. Man kann zumindest durch diese Videos dem sonnst anonymen Shop ein sympatisches Gesicht geben. Menschen kaufen ungern bei Maschinen und fühlen sich wohl beim Einkauf, wenn da jemand ist, an den man sich auch bei einem Problem wenden kann. Genau hier liegt eine Aufgabe für den Verkauf im Internet. Viele Weinshops haben in der Vergangenheit einfach die häufig unverständlichen Waschzettel von Winzern und Importeuren lieblos veröffentlicht. Gerade bei einem Genussthema ist dies kontraproduktiv.

Wenn man sich die Videos der gesichteten Weinshops anschaut, ist zudem beruhigend, dass alle fachlich verkehrsfähig sind. Fragt sich nur noch, wie der Video-Boom in den Weinshops in den letzten Wochen zu erklären ist. Drei Gründe sprechen hierfür. Zum einen ist Video generell das wichtige Thema in der derzeitigen Onlineentwicklung. Zweitens haben einige Internet-Fachmedien dem Thema “Verkauf über Videos” in letzter Zeit größere Beachtung geschenkt.

Zum dritten haben Gary Vaynerchuk in den USA und Marlene Duffy in Hamburg mit ihren Vlogs positive Beispiele gesetzt. Vor allem Vaynerchuk ist eine Lichtgestalt. So wird der jährliche Umsatz seines Unternehmens auf 100 Mio. Dollar geschätzt. Das ist ungefähr soviel wie in ganz Frankreich im Netz mit Wein umgesetzt wird. Und es ist ein Vielfaches von dem Umsatz des deutschen Branchenriesen Hawesko im Internet. Ein Teil des Erfolges von Vaynerchuk ist die aktive und gekonnte Benutzung der gesamten Bandbreite der Instrumente im Web2Null. So erstaunt es auch nicht, dass alle vier hier genannten deutschen Weinshops mit Videos zugleich auch einen Account bei Twitter haben. Nur, wenn da auch mal etwas Interessantes passieren würde.

6 Gedanken zu „Video im Weinshop: Vier Fallbeispiele“

  1. Nun ja, ich persönlich habe meist nicht Muße mir ein komplettes Video zu dem ein oder anderen Wein anzuschauen. Mir fehlt einfach der unmittelbare Feedback-Kanal in Echtzeit.

    Allerdings bin ich der Meinung, dass twitter bereits (mindestens) ein interessantes Projekt hervorgebracht bzw. forciert hat: den “Pinot-Day” von sport-und-wein, Würtz, Johner, etc. Auch wenn ich leider nicht dabei war.

    Hier treffen (bzw. trafen) Genuss, Emotion und Kompetenz aufeinander, zumindest stellt es sich so in der Nachberichterstattung für mich dar. Übrigens auch mit Video 😉

    Solche Projekt halte ich für zukunftsweisend, ohne jedoch die VideoBlogs und -Shops damit kritisiern zu wollen.

    Zugegebenermaßen “arbeite” ich persönlich so oder so lieber “face-to-face” als #screen-to-screen” oder *phone-to-phone” 😉 …

  2. Interessante Zusammenstellung, aber ich vermisse Robert Naser von fineliquids.de
    Wenn ich mich nicht täusche (falls ja, bin ich für Korrekturen offen;) ist er der erste deutsche Videoblogger, welcher sich mit Wein auseinandersetzte, und es noch immer tut.

  3. Dass Nasser der Erste mit deutschsprachigen Weinvideos war, ist ein Mythos. Ich glaube er hat es sogar selbst mal behauptet. Das ist eindeutig falsch. Wesentlich weiter und vorher waren http://weincast.com/home.html
    Das ist immer noch sehr schön anzusehen. Leider gibt es da nichts Neues mehr. Ich habe denen schon einen Fanclub angedroht, aber leider wurde das nichts.

    auch @Uli vom WeinSpion:
    Es geht hier nicht um Vlogs, sondern um Videos in Weinshops. Das ist ganz eindeutig etwas anderes. Offensichtlich muss man das Interesse etwas zu verkaufen mit einer journalistischen oder privaten Videoroduktion deutlicher darstellen. Ebenso geht es in dem Artikel auch nicht um die Konkurrenz verschiedener Vertriebswege. Und so ist Twitter eindeutig ein Medium der Winzer; zumindest was den Verkauf hierrüber, also den Twittersalesday angeht.

    Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: Es gibt viele unterschiedliche Wege Weine zu verkaufen. Einige von ihnen sind erfolgreich. Doch nicht jeder. Und vieles was sich im Web2Null bewegt, ist ohne kommerzielle Interessen. Andere sind es. Auch nicht verkehrt. Das ist besser jedenfalls als versteckte Vorteile und finanzielle Interessen.

  4. Toller Artikel!

    Ich vermisse aber die

    weinwelt-rheingau.de

    Die handeln ausschließlich mit Rheingau-Wein und zwar der Topp 20 Weingüter der Region.

    War neulich im Gutshof Langwerth von Simmern auf deren Opening Event und hab die Jungs kennen gelernt. Sind jetzt seit 14.09. online gegangen.

    Sie versuchen, nicht nur sich selbst, sondern die Winzer in kurzen Videos zu fast allen der Weine zu Wort kommen zu lassen.

    Heraus gekommen sind etwa 150 Videos unterschiedlichster Qualität, die allesamt jedoch Entertainment-Faktor haben, und den Mann hinter dem Produkt, also den Winzer zeigen.

    So sinniert Spätburgunder-Guru August Kesseler über seinen Höllenberg und vergleicht ihn mit einer leichtbekleideten Frau vor dem geöffneten Fenster, während Gunter Künstler in gewohnt hingebungsvoller Art und Weise versucht, das Besondere seiner Hochheimer Spitzenlagen zu erklären.

  5. @ Frank Enstein:
    Das ist sicherlich auch durchaus ein interessanter Gedanke, die Winzer selbst zu Wort kommen zu lassen. Da ich auch häufiger mit Winzern zu tun habe, kann ich nur unterstreichen, dass es da einige sehr unterhaltsame und interessante Persönlichkeiten gibt.

    Dass der Wein-Video-Shop in dem Artikel nicht drin vorkam, liegt nur darin, dass es ihn damals noch nicht gab. Ich finde auch Shops mit regionalen Schwerpunkten und aus der Region ganz interessant. Da kann man auch so ein bisschen die regionalen Eigenheiten vermitteln. Und der Einkauf ist bestimmt auch leichter zu organisieren.

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