Mein Zeitplan für den letzten Tag auf der Vinexpo in Bordeaux steht schon lange fest. Dann doch etwas schnell gehe ich durch die Halle 3. Unterweges zur großen Challenge läuft mir noch ein freundlicher deutscher Weineinkäufer über den Weg. Den habe ich auf der Messe kennen gelernt. Doch ich muss weiter. Schon vor der Tür von Saal 1 der Vinexpo Academy warten viele Leute. Die Schlange sieht aber anders aus als bei den bisherigen Veranstaltungen. Hier steht einer jeweils ganz ordentlich hinter dem anderen. Bei den zahlreichen Seminaren und Tastings auf der Vinexpo bildete sich häufig eher eine Menschentraube vor der Tür. Eine Achtung vor dem Event?
Noch vor Ablauf des akademischen Viertels werden die Besucher freundlich am Eingang willkommen geheißen. Und der Besucherausweis wird wieder einmal gescannt. Dann strömen die Teilnehmer bei feierlicher Musikeinspielung und Lichtprojektionen in den Saal. Da ich doch recht weit vorne in der Schlange gelandet bin, kann ich einen Randplatz in der zweiten Reihe ergattern. Neben mir nimmt eine junge Dame aus Frankreich Platz. Es bleiben noch einige Minuten um sich zu konzentrieren bis der letzte Stuhl besetzt ist.
Dann begrüßt Guillaume Deglise (CEO der Vinexpo) die Gäste und stellt Jon Arvid Rosengren vor. Der Sommelier Weltmeister von 2016 erscheint sehr gelassen und sagt, dass er dieses Mal froh ist auf der anderen Seite zu sitzen. Das lässt die Teilnehmer auch etwas lockerer werden. Man merkt ihm an, dass er als Sommelier in der New Yorker Top-Gastronomie den freundlichen Umgang mit sehr zivilisierten Gästen gewohnt ist.
Deglise erklärt noch einmal die Challenge. Es gibt 10 Weine. 5 sind weiß und 5 sind rot. Wie gewöhnlich wird von links nach rechts verkostet. Bei jedem Wein sollen das Herkunftsland, die Rebsorte und der Jahrgang aufgeschrieben werden. Das sind 10 Punkte pro Wein. Das Maximum liegt also bei 100 Punkten.
Und los geht es mit der Verkostung. Beim ersten Wein bin ich mir ganz sicher, dass es ein trockener Sherry ist. Das fängt ja für mich schon mal viel zu gut an. Beim zweiten Wein überlege ich etwas. Es gab gestern einen RieslingDay auf der Vinexpo. Also halte ich es für recht wahrscheinlich, dass einer der Weine der Challange auch aus dieser Rebsorte besteht. Den leisen Verdacht habe ich bei Wein Nummer zwei.
Verkosten wie die Weltmeister
Schnell rieche ich durch die weiteren Weißweine durch. Klar Nummer zwei ist ein Riesling. Aber keinesfalls von der Mosel, dem Rheingau oder der Pfalz. Diese Regionen kenne ich seit langer Zeit sehr gut. In meine persönlichen Aufzeichnungen trage ich Rheinhessen ein. Als Jahrgang identifiziere ich 2015. Nicht unbedingt, weil ich alle Jahrgänge kenne. Den Jahrgang kann man auch über Reife oder Frische eines Weins zuordnen. Dieser Weißwein scheint jung zu sein, aber nicht so jung wie 2016 jetzt wäre.
Bei dem dritten Wein tippe ich auf einen Chablis aus 2015. Dann kommt ein Weißwein, den ich schon beim Vorrausriechen als korkig wahrgenommen habe. Auf jeden Fall hat mich der Geruch enorm verstört. Der fünfte Weißwein hingegen scheint mir sehr fruchtig und etwas überladen zu sein. Ich schwanke zwischen Torrontes aus Argentinen (ich habe irgendwie den von Terrazas im Kopf) oder einen spanischen Malvasia. Großes Erstaunen ist dann bei vielen Teilnehmern der Challenge nach den ersten fünf Weinen. Nun wird der erste Zettel eingesammelt.
Eigentlich könnte man Guillaume Deglise und Arvid Rosengren auch weiter einfach so zuhören und dabei das Verkosten der Weine vergessen. Doch bei den Rotweinen rieche ich einmal schnell durch und entdecke wenig Bekanntes. Einzig der zweite Wein scheint mit recht sicher aus dem Piemont zu sein. Ich notiere Italy Barbera und 2014. Auf den Jahrgang komme ich eher durch Zufall. Die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch. Der Rotwein hat keine Alterungsnoten und 2015 wäre – in der Qualitätsklasse die hier wahrscheinlich ansteht – noch zu jung.
Wie gewinnt man die Vinexpo-Challenge mit Arvid Rosengren?
Bie den anderen Rotweinen bin ich mir sehr unsicher. Meine Nachbarin ist mir leider keine Hilfe. Sie hatt nicht viel zu Papier gebracht. Somit trage ich da etwas ein was es jeweils sein könnte. Beim Einsammeln der Zettel unterhalten sich Guillaume Deglise und Arvid Rosengren über die Challenge auf der Vinexpo in Hongkong im vergangenen Jahr. Dort hatte der Gewinner 65 Punkte erreicht. Einige Teilnehmer schöpfen jetzt wahrscheinlich Hoffnung. Mit meiner etwas schrägen Methode bei mir unklaren Weinen auf die großen Länder und Rebsorten zu gehen, bin ich wahrscheinlich nicht wirklich erfolgreich.
Dann geht es zur Auflösung. Den ersten Weißwein habe ich richtig: Ein Sherry. Leider hatte ich einen Jahrgang hingeschrieben. Der zweite Wein ist dann ein Volltreffer 10 Punkte und ich hatte auch noch die Region richtig in meinen Aufzeichnungen. Es war der Thörle Schlossberg Riesling aus 2015. Und auch das Burgund hatte ich beim dritten Wein richtig erkannt. Obwohl ja das Land als Angabe reichte.
Bei dem vierten Weißwein kann ich mich einfach nur ärgern. Ich habe genau diesen Wein zu Hause im Kühlschrank stehen. Ich habe einfach nicht richtig trainiert. Nach dieser Verkostung von Rotwein aus Griechenland hatte mir ein Weinfreund diesen Weißwein empfohlen. Er steht jetzt seit 2 Monaten bei mir im Kühlschrank. Ich hatte mich nur nicht an ihn herangetraut. Das ist eine Ikone des gerichischen Weißweins. Der fünfte Weißwein war für mich nicht so bekannt. Klar ein wichtiger Erzeuger.
Bei den roten Weinen in der Challenge habe ich nicht wirklich mehr den Überblick, was ich da angegeben habe. Nur bei dem zweiten Rotwein habe ich das Land und die Region richtig gehabt. Für die Region gibt es aber keine Punkte. Bei der Rebsorte schon: Nur eben das Nebbiolo und Barbera dann doch unterschiedlich sind. Eigentlich ist mein persönliches Abschneiden auch in bestimmter Hinsicht ein Spiegel meiner Präferenzen. Ich mag eher Weißwein.
Dann geht es zur Siegerehrung. Wirklich Chancen habe ich mir nicht eingeräumt. Schon die Teilnahme und der Test der eigenen Fähigkeiten ist für mich ein Gewinn. Zudem ist bei dieser Veranstaltung ein sehr hohes Niveau bei den Teilnehmern vorhanden. Darunter sind Winzer, Sommeliers und Weinjournalisten die zum großen Teil eine lange, umfangreiche und geplante Verkostungserfahrung haben.
Die Spannung steigt: Wer gewinnt die Challenge?
Guillaume Deglise treibt noch einmal die Spannung nach oben. Ein Teilnehmer mit den meisten Punkten kann leider nicht gewinnen, weil dieser Winzer selbst einen Wein zur Verfügung gestellt hat. Dieser Winzer kommt aus Portugal und hatte natürlich seinen eigenen Wein erkannt. Bei einigen Teilnehmern merkt man, dass sie sich weiter Hoffnung machen können.
And the winner is … Stephane Saillet. Er arbeitet für die Domaine de Mauperthuis in Chablis. Das ist ein unabhängiges Weingut mit 14 Hektar. Es scheint recht interessant zu sein was die machen. Unter anderem arbeiten sie auch mit Amphoren. Ein herzlicher Glückwunsch geht auch noch einmal an dieser Stelle an Stephane Saillet. Ich freue mich für ihn mit, weil er ganz real die Arbeit auf einem Weingut erledigt. Die Funktion eines Weinkritikers ist hingegen immer recht leicht.
Nach der Veranstaltung erfahre ich, dass ich mit 43 Punkten bei den 10 Besten bin. Das finde ich ein sehr gutes Ergebnis. Die Herausforderung ist sehr groß. Ich hatte aber wirklich Glück, dass ein deutscher Riesling mit dabei war. Schon alleine dadurch sind 10 Punkte schon mal im Sack. Beinahe hätte ich ihn sogar einen Tag zuvor bei der deutschen Masterclass vom DWI probiert. Wenn ich in zwei Jahren an der Challenge der Vinexpo in Bordeaux wieder teilnehmen kann, muss ich entweder etwas konzentrierter trainieren oder mir eine andere Tischnachbarin suchen.